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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Schraubverschluß, in der ein sirupartiges, koscheres Zeug mit Erdbeergeschmack war; die Flasche stand schon seit Hanukkah hier. Ich hatte einmal davon gekostet, weil ich sie vielleicht klauen wollte, aber hastig hatte ich das Zeug ausgespuckt und die Flasche wieder ins Fach gestellt. Das war jetzt Monate her. Ich schob sie unter meine Jacke, aber als ich wieder nach oben kam, war Charles’ Kopf rückwärts gegen die Wand gerollt, wo das Kopfteil des Bettes fehlte, und er schnarchte.
    Leise stellte ich die Flasche auf den Tisch, nahm mir ein Buch und ging. In Dr. Rolands Büro legte ich mich auf die Couch und
deckte mich mit meiner Jacke zu; als die Sonne aufging, machte ich das Licht aus und schlief ein.
     
    Ich wachte gegen zehn auf. Es war Samstag, was mich ein bißchen überraschte: Ich hatte den Überblick über die Tage verloren. Ich ging zu einem späten Frühstück in die Mensa – Tee und weichgekochte Eier, das erste, was ich seit Donnerstag in den Magen bekam. Als ich gegen Mittag in mein Zimmer zurückkehrte, schlief Charles immer noch. Ich rasierte mich, zog ein sauberes Hemd an, nahm meine Griechischbücher und ging wieder in Dr. Rolands Büro.
    Ich lag erbärmlich weit zurück mit meiner Arbeit, aber (wie es oft der Fall ist) auch wieder nicht so weit, wie ich gedacht hatte. Die Stunden verstrichen, und ich merkte es nicht. Gegen sechs bekam ich Hunger; ich ging an den Kühlschrank im Büro der Gesellschaftswissenschaften und fand ein paar übriggebliebene Horsd’oeuvres und ein Stück Geburtstagskuchen. Ich setzte mich damit an Dr. Rolands Schreibtisch und aß mit den Fingern von einem Pappteller.
    Gegen elf ging ich schließlich wieder nach Hause, aber als ich die Tür aufschloß und das Licht einschaltete, sah ich zu meiner Verblüffung, daß Charles noch immer in meinem Bett lag. Er schlief, und die Flasche mit koscherem Wein auf meinem Schreibtisch war halb leer. Sein Gesicht war hitzig gerötet. Als ich ihn schüttelte, fühlte er sich an, als habe er Fieber.
    »Bunny«, sagte er und schrak hoch. »Wo ist er hin?«
    »Du träumst.«
    »Aber er war hier«, sagte er und starrte wild umher. »Ganz lange. Ich hab’ ihn gesehen.«
    »Du träumst, Charles.«
    »Ich hab’ ihn gesehen . Er war hier. Er hat da am Fußende gesessen.«
    Ich ging nach nebenan, um mir ein Thermometer auszuleihen. Charles hatte fast vierzig Grad Fieber. Ich gab ihm zwei Tylenol und ein Glas Wasser, und während er sich die Augen rieb und Unsinn faselte, ging ich nach unten und rief Francis an.
    Francis war nicht zu Hause. Ich beschloß, es bei Henry zu versuchen. Zu meiner Überraschung meldete sich Francis, nicht Henry.

»Francis? Was machst du da?« fragte ich.
    »Oh, hallo, Richard«, sagte Francis mit einer Bühnenstimme, die offenbar für Henry bestimmt war.
    »Ich nehme an, du kannst im Moment nicht gut sprechen.«
    »Nein.«
    »Aber hör zu. Ich muß dich was fragen.« Ich berichtete von Charles, wie ich ihn auf dem Spielplatz gefunden hatte und so weiter. »Er scheint ziemlich krank zu sein. Was meinst du, was ich tun soll?«
    »In der Schnecke?« fragte Francis. »Du hast ihn in der Riesenschnecke gefunden?«
    »Unten beim Vorschulcenter, Francis. Hör mal, das ist jetzt nicht so wichtig. Was soll ich machen? Ich bin irgendwie beunruhigt.«
    Francis legte die Hand auf den Hörer, und ich hörte eine gedämpfte Diskussion. Gleich darauf meldete sich Henry. »Hallo, Richard«, sagte er. »Was gibt’s denn?«
    Ich mußte alles noch einmal erzählen.
    »Wieviel, sagst du? Knapp vierzig Grad?«
    »Ja.«
    »Das ist ziemlich viel, was?«
    »Ich dächte schon«, sagte ich.
    »Hast du ihm Aspirin gegeben?«
    »Vor ein paar Minuten.«
    »Na, dann warte doch erst mal ab. Ich bin sicher, er wird schon wieder.«
    Genau das hatte ich hören wollen.
    »Du hast recht«, sagte ich.
    »Wahrscheinlich hat er sich erkältet, weil er draußen geschlafen hat. Bestimmt geht es ihm morgen früh wieder besser.«
     
    Ich verbrachte die Nacht auf Dr. Rolands Couch. Nach dem Frühstück kehrte ich mit Blaubeertörtchen und einem Zweiliterkarton Orangensaft auf mein Zimmer zurück; ich hatte die Sachen unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten vom Büffet in der Mensa klauen können.
    Charles war wach, aber er wirkte fiebrig und durcheinander. Nach dem Zustand des Bettzeugs zu urteilen – es war zerknüllt und zerwühlt, die Decke hing auf den Boden, und man sah den fleckigen Drillich der Matratze, wo er das Laken beiseite gezogen

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