Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Eiscreme bremst die Verdauung. Coke beruhigt den Magen, und das Koffein wirkt gegen die Kopfschmerzen. Zucker spendet Energie. Außerdem hilft er, den Alkohol schneller umzusetzen. Es ist das perfekte Mittel.«
»Geh und mach mir eins, ja?« sagte Bunny.
»Geh und mach dir selber eins«, erwiderte Charles, plötzlich gereizt.
»Wirklich«, sagte Francis, »ich glaube, ich brauche nur ein Alka-Seltzer.«
Henry – der seit dem ersten Schimmer des Morgengrauens auf
den Beinen und angekleidet war – kam kurz darauf herunter, gefolgt von einer verschlafenen Camilla; sie war noch feucht und erhitzt vom Bad, und ihr wirres, gelocktes Haar war wie eine goldene Chrysantheme. Es war fast zwei Uhr nachmittags. Der Greyhound lag dösend auf der Seite; das eine kastanienbraune Auge war nur halb geschlossen und grotesk in seiner Höhle verdreht.
Es gab kein Alka-Seltzer; deshalb ging Francis hinein und holte eine Flasche Ginger Ale, ein paar Gläser und Eis, und dann saßen wir eine Zeitlang da, während der Nachmittag heller und heißer wurde. Camilla – die selten damit zufrieden war, irgendwo stillzusitzen, sondern immer darauf brannte, etwas zu tun, irgend etwas, Karten spielen, ein Picknick machen, spazierenfahren – langweilte sich und machte kein Geheimnis daraus. Sie hatte ein Buch, aber sie las nicht; ihre Beine baumelten über der Armlehne ihres Sessels, und eine bloße Ferse schlug mit obstinatem, lethargischem Rhythmus gegen die geflochtene Seite. Schließlich schlug Francis, hauptsächlich um ihr einen Gefallen zu tun, einen Spaziergang zum See vor. Das heiterte sie augenblicklich auf. Es gab sonst nichts zu tun, und so beschlossen Henry und ich mitzugehen. Charles und Bunny waren eingeschlafen und schnarchten in ihren Sesseln.
Der Himmel war von wildem, brennendem Blau, und die Bäume prangten in entfesselten Rot- und Gelbtönen. Francis tänzelte barfüßig und noch im Bademantel behutsam über Steine und Äste und balancierte sein Glas Ginger Ale. Als wir am See angekommen waren, watete er bis zu den Knien hinein und winkte dramatisch wie Johannes der Täufer.
Wir zogen Schuhe und Strümpfe aus. Das Wasser am Ufer war klar, hellgrün und kühl an meinen Knöcheln, und die Kieselsteine auf dem Grund waren vom Sonnenlicht gesprenkelt. Henry watete in Jackett und Krawatte zu Francis hinaus; er hatte sich die Hose bis zum Knie hochgekrempelt und sah aus wie ein altmodischer Bankier auf einem surrealistischen Gemälde. Wind raschelte in den Birken und drehte die hellen Unterseiten der Blätter hoch, und er fing sich in Camillas Kleid und blähte es auf wie einen weißen Ballon. Sie strich es lachend herunter, aber es wurde gleich wieder aufgeblasen.
Wir beide wateten am Ufer entlang, in seichtem Wasser, das gerade unsere Füße bedeckte. Die Sonne schimmerte in hellen Wellen auf dem See und ließ ihn eher wie eine Luftspiegelung in der Sahara als wie ein echtes Gewässer aussehen. Henry und Francis waren weiter draußen; Francis redete wild gestikulierend
in seinem weißen Bademantel, und Henry hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und sah aus wie Satan, der dem eifernden Gerede irgendeines Wüstenpropheten lauschte.
Wir wanderten ein gutes Stück weit um den See herum, Camilla und ich, und dann kehrten wir um. Camilla überschattete mit einer Hand ihre vom Licht geblendeten Augen und erzählte mir eine lange Geschichte über irgend etwas, was der Hund getan hatte – wie er einen Schaffellteppich zerkaut hatte, der dem Hauswirt gehörte, wie sie versucht hatten, das Beweisstück zu verbergen, und wie sie es schließlich vernichtet hatten –, aber ich hörte nicht besonders aufmerksam zu; sie sah ihrem Bruder so ähnlich, aber sein geradliniges, kompromißloses gutes Aussehen bekam etwas beinahe Magisches, wenn es sich mit geringen Variationen bei ihr wiederholte. Sie war ein lebender Tagtraum für mich; ihr bloßer Anblick entfachte in mir immer neue, wilde Phantasien, griechische und schaurige, vulgäre und heilige.
Ich schaute auf ihr Profil, lauschte den kehligen Kadenzen ihrer Stimme, als ich durch einen scharfen Aufschrei aus meiner Versunkenheit gerissen wurde. Sie blieb stehen.
»Was ist?«
Sie starrte hinunter ins Wasser. »Schau.«
Im Wasser erblühte eine dunkle Feder aus Blut über ihrem Fuß; ich blinzelte, und ein dünnes, rotes Fädchen kräuselte sich in Spiralen über ihren blassen Zehen und wellte sich im Wasser wie eine karmesinrote Rauchfahne.
»Mein Gott, was hast du
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