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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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gegessen.«
    Ich machte die Tür ein Stück weiter auf, damit er hineinschauen konnte.
    »Der Käse da ist schon in Ordnung«, sagte er.
    Ich schnitt Brot ab und machte ihm ein Käsesandwich, da er offenbar nicht daran dachte, aufzustehen und es selbst zu machen. Dann goß ich den Kaffee ein und setzte mich. »Erzähl mir von Rom«, sagte ich.
    »Prächtig«, sagte er mit vollem Mund. »Ewige Stadt. Massenhaft Kunst. Kirchen an jeder Ecke.«
    »Was hast du gesehen?«
    »Tausend Sachen. Schwer, sich jetzt noch an alle Namen zu erinnern, weißt du. Konnte aber sprechen wie ein Eingeborener, als ich abreiste.«
    »Sag mal was.«
    Er gehorchte, drückte dabei Daumen und Zeigefinger zusammen und schüttelte sie unterstreichend in der Luft wie ein französischer Küchenchef in der Fernsehreklame.
    »Klingt prima«, sagte ich. »Was bedeutet es?«
    »Es bedeutet: ›Ober, bringen Sie mir Spezialitäten aus dieser Gegend‹«, sagte er und wandte sich wieder seinem Sandwich zu.
    Ich hörte das leise Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloß drehte, und dann wurde die Tür geschlossen. Schritte entfernten sich leise zum anderen Ende der Wohnung.
    »Henry?« brüllte Bun. »Bist du’s?«
    Die Schritte hielten inne. Dann kamen sie sehr schnell auf die Küche zu. In der Tür angekommen, blieb Henry stehen und starrte mit ausdrucksloser Miene auf Bunny herunter. »Ich dachte mir, daß du das bist«, sagte er.
    »Na, dir ebenfalls einen schönen guten Tag.« Bunny lehnte sich mit vollem Mund auf seinem Stuhl zurück. »Wie geht’s dem Jungen?«
    »Gut«, sagte Henry. »Und dir?«
    »Wie ich höre, nimmst du die Kranken auf«, sagte Bunny und zwinkerte mir zu. »Gewissensbisse? Gedacht, du solltest mal lieber ein, zwei gute Taten sammeln?«
    Henry sagte nichts, und ich bin sicher, für jeden, der ihn nicht kannte, hätte er in diesem Augenblick völlig ungerührt gewirkt, aber ich merkte, daß er sehr erregt war. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich. Dann stand er wieder auf und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein.
    »Ich nehme auch noch einen, vielen Dank, wenn du nichts dagegen hast«, sagte Bunny. »Schön, wieder in den guten alten USA zu sein. Brutzelnde Hamburger auf offenem Grill und so weiter. Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Stars and Stripes.«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Bin gestern am späten Abend in New York gelandet.«
    »Bedaure, daß ich nicht hier war, als du kamst.«
    »Wo warst du?« fragte Bunny mißtrauisch.
    »Im Supermarkt.« Das war gelogen. Ich wußte nicht, wo er gewesen war, aber bestimmt hatte er nicht vier Stunden lang eingekauft.
    »Wo sind denn die Lebensmittel?« fragte Bunny. »Ich helfe dir, sie reinzutragen.«
    »Ich lasse sie liefern.«
    »Der ›Food King‹ hat einen Lieferservice?« fragte Bunny verblüfft.
    »Ich war nicht im ›Food King‹.«
    Voller Unbehagen stand ich auf und wollte ins Schlafzimmer gehen. »Nein, nein, geh nicht«, sagte Henry, trank seinen Kaffee in einem tiefen Zug und stellte die Tasse in die Spüle. »Bunny, ich wünschte, ich hätte gewußt, daß du kommst. Aber Richard und ich müssen in ein paar Minuten weg.«
    »Wieso?«
    »Ich habe einen Termin in der Stadt.«
    »Beim Rechtsanwalt?« Bunny lachte laut über seinen eigenen Witz.
    »Nein. Beim Optiker. Deshalb bin ich vorbeigekommen«, sagte er zu mir. »Du hast hoffentlich nichts dagegen. Sie werden mir Tropfen in die Augen geben, und dann kann ich beim Autofahren nichts sehen.«
    »Nein, ist mir recht«, sagte ich.
    »Es dauert nicht lange. Du brauchst auch nicht zu warten; du kannst mich dort absetzen und nachher wieder abholen.«
    Bunny ging mit uns hinaus zum Auto, und unsere Schritte knirschten im Schnee. »Ah, Vermont«, sagte er tief luftholend und klopfte sich auf die Brust wie Oliver Douglas in der Anfangssequenz von »Green Acres«. »Die Luft tut mir gut. Und was glaubst du, wann du zurück bist, Henry?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Henry; er reichte mir die Schlüssel und ging hinüber zur Beifahrerseite.
    »Na, ich würde gern einen kleinen Schwatz mit dir halten.«
    »Tja, das ist nett, aber wirklich, ich hab’s jetzt ein bißchen eilig, Bun.«
    »Dann heute abend?«
    »Wenn du willst«, sagte Henry, stieg ein und schlug die Tür zu.
     
    Im Wagen zündete Henry sich eine Zigarette an und sagte kein Wort. Er rauchte viel, seit er aus Italien zurückgekommen war, fast eine Packung pro Tag, was bei ihm sonst selten vorkam. Wir fuhren in die Stadt, und erst als ich vor der

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