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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Henry zu sprechen, aber so undeutlich, daß ich nichts verstand.
    »Dir gefällt das nicht? Dir ?« sagte Francis. »Und was ist mit mir?« Er senkte unvermittelt die Stimme, und dann war nur mehr Geflüster zu hören.
    Ich ging zurück in die Küche und setzte Teewasser auf. Ich dachte noch über das Gehörte nach, als sich ein paar Minuten später Schritte näherten und Francis die Küche betrat. Er schob sich um das Bügelbrett herum, um seine Handschuhe und seinen Schal einzusammeln.
    »Entschuldige die Eile«, sagte er. »Ich muß den Wagen ausräumen und anfangen, das Apartment sauberzumachen. Dieser Cousin hat den reinsten Trümmerhaufen hinterlassen. Ich glaube, er hat kein einziges Mal den Müll hinausgebracht, solange er da war. Laß mich deine Kopfwunde sehen.«
    Ich strich mir das Haar aus der Stirn und zeigte ihm die Stelle. Die Fäden waren längst gezogen, und die Wunde war fast verheilt.
    Er beugte sich vor und spähte durch seinen Kneifer. »Meine Güte, ich muß ja blind sein; ich sehe überhaupt nichts. Wann fängt der Unterricht an? Mittwoch?«
    »Donnerstag«, sagte ich.
    »Bis dann also«, sagte er, und weg war er.
    Ich hängte mein Hemd auf einen Bügel, und dann ging ich ins Schlafzimmer und fing an, meine Sachen zu packen. Monmouth House öffnete an diesem Nachmittag wieder; vielleicht würde Henry mich später mit meinen Koffern zur Schule fahren.
    Ich war gerade fertig, als Henry aus dem hinteren Teil der Wohnung rief: »Richard?«
    »Ja?«
    »Würdest du bitte für einen Moment herkommen?«
    Ich ging nach hinten in sein Zimmer. Er saß auf der Kante des ausklappbaren Bettes, die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt; auf der Decke am Fußende lag eine Patience.
    Er blickte auf. »Würdest du mir einen Gefallen tun?«
    »Natürlich.«
    Er atmete tief durch die Nase ein und schob die Brille auf dem Nasenrücken hoch. »Würdest du Bunny anrufen und ihn fragen, ob er für ein paar Minuten herüberkommen möchte?«« fragte er.
    Ich war so überrascht, daß ich eine halbe Sekunde lang gar nichts hervorbrachte. Dann sagte ich: »Sicher. Klar. Mit Vergnügen.«
    Er schloß die Augen und rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. Dann blinzelte er mich an. »Danke«, sagte er.
    »Nicht der Rede wert.«
    »Wenn du heute nachmittag ein paar von deinen Sachen in die Schule zurückbringen möchtest, kannst du dir gern den Wagen ausborgen«, sagte er gleichmütig.
    Ich verstand den Wink. »Klar«, sagte ich. Erst nachdem ich meine Koffer in den Wagen geladen und nach Monmouth House gefahren war, um mir von der Verwaltung das Zimmer aufschließen zu lassen, rief ich Bunny vom Münztelefon im Erdgeschoß aus an, eine sichere halbe Stunde später.

VIERTES KAPITEL
    Irgendwie dachte ich, wenn die Zwillinge zurück wären, wenn wir uns wieder eingerichtet hätten, wenn wir wieder zu unseren Liddell and Scotts zurückgekehrt wären und zwei oder drei griechische Prosa-Aufsätze durchlitten hätten, dann würden wir alle auch wieder in die behagliche Routine des vergangenen Semesters verfallen, und alles wäre wieder so wie vorher. Aber das war ein Irrtum.
    Charles und Camilla hatten geschrieben: Sie würden mit dem Spätzug in Hampden eintreffen, am Sonntag gegen Mitternacht. Am Montag nachmittag, als die Studenten mit Skiern und Stereoanlagen und Pappkartons in Monmouth House eintrudelten, hatte ich das Gefühl, sie würden mich vielleicht besuchen kommen, aber das taten sie nicht. Am Dienstag hörte ich immer noch nichts von ihnen, und auch nicht von Henry oder sonst jemandem außer Julian, der mir einen herzlichen kleinen Gruß in meinem Postfach hinterlassen hatte; er begrüßte mich in der Schule und bat mich, für die erste Stunde eine Ode von Pindar zu übersetzen.
    Am Mittwoch ging ich zu Julian ins Büro, um mir von ihm meine Belegkarten unterschreiben zu lassen. Er war anscheinend erfreut, mich zu sehen. »Sie sehen gut aus«, sagte er, »aber nicht so gut, wie Sie aussehen sollten. Henry hat mich über Ihre Genesung auf dem laufenden gehalten.«
    »Ach?«
    »Ich nehme an, es war gut, daß er vorzeitig zurückgekommen ist«, meinte Julian und sah meine Karten durch, »aber ich war auch überrascht, ihn zu sehen. Er kam geradewegs vom Flughafen zu mir nach Hause, mitten in einem Schneesturm, mitten in der Nacht.«
    Das war interessant. »Hat er bei Ihnen gewohnt?« fragte ich.
    »Ja, aber nur ein paar Tage lang. Er ist selbst krank gewesen, wissen Sie. In Italien.«
    »Was hat er denn

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