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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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feuriges Kriegerblut. Schließlich bin ich die Tochter eines Kriegshelden, der unter dem seligen König Franz bei Pavia gedient hat. Diebe wollten unsere jungfräuliche Laube stürmen! Da galt es beherzt und unverzüglich zu handeln! Ein Geistesblitz durchzuckte mich und wies mich zu Vaters Arkebuse mit dem Radschloß an der dunklen Wand hinter mir, die nur einen Nachteil hatte, nämlich den, daß ich noch nie damit geschossen hatte. Doch schließlich, so sagte ich mir kühn, habe ich Dutzende von Malen dabei zugesehen, nichts einfacher als das! Fürwahr, Frauen könnten jederzeit Musketen abschießen, wenn es ihnen so beliebte, wäre das nicht so unvereinbar mit ihrer Anmut. Doch welche weiblichen Reize hatte ich schon zu verlieren, da mir eine vergeßliche Gottheit diese Gaben verweigert und mir lediglich doppelt bemessene Füße zugedacht hatte? Und da packte mich ein jäher, löwinnengleicher Mut, und ich holte das schwere alte Ding herunter, wobei ich unter seinem Gewicht fast ins Wanken geriet, drehte es um, schüttete Pulver in das offene Ende und schob die Watte mit dem langen Stock nach, der daran hing, genauso wie ich es bei Vater gesehen hatte. Ich riß den Schlüssel vom Haken und stahl mich im Dunkeln leise nach oben in unser Schlafzimmer.
    Der Lauf der Arkebuse machte klick, als ich sie auf einer niedrigen Kommode ablegte und in der Finsternis auf den Fensterladen zielte. Und da lauerte ich nun wie der gefährliche gefleckte Panther Indiens, der sich im Baum verbirgt, um von dort unvorsichtige Jäger anzuspringen.
    »Du hast mir schon wieder die Decke weggezogen«, murrte Laurette im Schlaf und tastete nach mir. »Sibille? Sibille? Wo bist du?« fragte sie und wurde halb wach, als sie die leere Stelle fühlte.
    »Um Gottes willen, pssst«, flüsterte ich beschwörend, denn ich suchte die Stelle, wo man den Schlüssel einführt, um den Abfeuermechanismus aufzuziehen.
    »Was machst du da?« fragte sie, und ich konnte hören, wie sie sich im Bett aufsetzte.
    »Das«, sagte ich und zog das klappernde Rad auf. »Bleib, wo du bist.«
    Dann ging alles sehr schnell.
    Jemand schob ein langes, dünnes Messer durch den Spalt zwischen den Läden und hob den Riegel an. Mondschein flutete ins Zimmer und zeigte uns einen Maskierten, der über das Fensterbrett klettern wollte und dabei haarscharf vor die Mündung meiner mächtigen Waffe gelangte. Laurette kreischte und sprang auf, was die anderen weckte. Zur gleichen Zeit betätigte ich den Abzug, und schon zischte das Pulver, das Rad sprühte Funken, und dann gab es einen mächtigen Rums! Zu spät fielen mir die Geschichten von Arkebusieren ein, die von ihrer eigenen Waffe in die Luft geblasen wurden, und als ich zu Boden geworfen wurde, war ich überzeugt, daß ich erst in der nächsten Welt wieder zu mir kommen würde. Wenn das Gekreisch nicht schon das Haus geweckt hätte, dann die Explosion. Das ganze Zimmer stank nach Schießpulver. Als Menschen hereingelaufen kamen, merkte ich, daß ich noch auf dieser Welt weilte, und stand auf. Rachedurstig stürzte ich zum offenen Fenster und warf die Leiter auf die unten zusammengekauerten Gestalten. Denn im Bruchteil der Sekunde, ehe ich den Abzug betätigte, hatte ich den speckigen Kragen des ledernen Jagdrocks und den schmalen, hämischen Mund unter der Maske erkannt. Es war Thibauld Villasse.
    »Diebe, Diebe! Da unten! Fangt sie!« hörte man schreien. Ich sah vom Schlafzimmerfenster aus zu, wie das Gesinde auf den mondhellen Hof strömte. Aber die Männer unter der Leiter hatten bereits ihre Bürde aufgehoben, über ein wartendes Pferd geworfen, und nun galoppierten sie unter gräßlichem Rachegeschrei durch das offene Hoftor in der Finsternis. Ich sah von oben aus zu, wie tanzende Fackeln im Dunkeln hin und her schwankten, während die Diener, die sie hielten, den Hof absuchten. In ihrem Schein fanden sie eine tote Bulldogge nach der anderen, allesamt vergiftet und im Dreck liegend.
    »Das ist Nero, er ist tot«, vernahm ich die Stimmen unter mir. »Was für ein Verbrechen. So einen wie ihn gibt's nie wieder.«
    »O nein, nicht auch noch Belle.«
    »Seht mal«, sagte eine andere Stimme, »einer bewegt sich noch.«
    »Ausgerechnet der nutzloseste. Gargantua, das Faß ohne Boden. Der hat sich an den vergifteten Ködern überfressen und alles wieder ausgespuckt.«
    »Vincent, wo ist Vincent?« fragte Mutter. Wir halfen ihr nach unten. Da saß sie nun kerzengerade im Nachtgewand, mit einem türkischen Schal um die

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