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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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sie das leicht durchschaubar. Tausend Teufel, dachte Ruggieri. Ich hasse diese Unbekannte. Aber wie kann ich ihr nur diesen Kopf entwenden, ohne daß sie mich weiß der Himmel wohin wünscht?

Kapitel 10
    N un sieh nur, Sibille. Man ahnt gar nicht, daß wir den Unterrock etwas eingehalten, einen schlichten Streifen angesetzt und ihn vorn verlängert haben. Jetzt dreh dich um. Ja, die Schuhe sind fast nicht mehr zu sehen.« Eine Woche lang hatten Näherinnen sich bemüht, die Kleider abzuändern, die Tantchen aus ihrer reichhaltigen Garderobe mit den vielen unterschiedlichen Größen ausgesucht hatte. Die Farben, die sie gewählt hatte, kamen mir ein wenig zu leuchtend vor, und der Schnitt… nun ja, ich behaupte nicht, daß ich viel von Mode verstehe, da ich mich mein Leben lang höheren, geistigen Zielen gewidmet hatte. Aber die Kleider sahen nicht aus wie die, die andere Menschen trugen. Und nun, nach der Änderung, schon gar nicht mehr. Aber wenigstens waren sie aus kostbarer Seide und erlesenem Samt, und Gewebe und Schimmer strahlten eine ganz eigene sinnliche Schönheit aus. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, jemals solche Sachen zu tragen. Dabei kam mir der Gedanke, daß ein kultivierter, dekorativer Stil vielleicht meine Gedichte beflügeln könnte, insbesondere das Epos, in dem möglicherweise Piraten vorkommen würden. Jeden Nachmittag legte ich mich eine Stunde hin, auf dem Gesicht einen Brei aus zerstoßenem Obst und Gemüse und anderen glitschigen Dingen, der den Teint bleichen und verfeinern sollte. Doch bei den Füßen half gar nichts; wir konnten nur schlichte, dunkle Schuhe für mich bestellen, damit die Größe nicht so auffiel, wie Tantchen meinte.
    »Falls man Schleppkähne unsichtbar machen kann«, sagte Menander der Unsterbliche oben auf der Kommode.
    »Wenn du weiterhin so niederträchtige Bemerkungen machst, klappe ich deinen Kasten wieder zu«, gab ich zurück. Seit Tagen verfolgte mich der Kasten durchs ganze Haus, materialisierte sich im Schlafzimmer und mäkelte an meinen Waschungen herum, folgte mir ins Empfangszimmer, wo er mich beim Kartenspielen mit Tantchen kritisierte, und in den Garten, wo er mir den geistigen Austausch mit der Natur verdarb. Das Ding im Kasten gab aufreizende Geräusche von sich; damit beabsichtigte es, daß ich den Deckel aufmachte und es mitbekäme, was los war. Und da lag es dann völlig vertrocknet und häßlich und verdrehte die abartigen, lebendigen Augen unter den pergamentenen Hängelidern und störte ständig durch Bemerkungen. Ganz erstaunlich, wie sehr man sich daran gewöhnen konnte, wenn man es jeden Tag sah.
    »Niedertracht liegt in meiner Natur«, sagte der unsterbliche Kopf. »Du hast Glück, daß ich dich nicht in den Wahnsinn treibe. Ich habe eine ganze Reihe meiner Besitzer völlig verrückt und irre gemacht. Weißt du, was aus einem Menschen wird, der keinen Schlaf mehr bekommt?«
    »Er kriegt eins auf den Kasten, dann findet er auch keinen Schlaf mehr«, erwiderte Tante Pauline ungerührt. »Sibille, probiere bitte die himmelblaue Seide an. Die bringt deinen Teint so schön zur Geltung. Und ich möchte sehen, wie sich das Kleid macht, das wir durch das Samtband unter dem Mieder verlängert haben.«
    »Es wäre einfacher gewesen, wenn du dir deine Kleider länger gewünscht hättest«, schmollte der Kopf.
    »Und wir den ganzen Spaß mit dem Umändern nicht gehabt hätten? Ehrlich, du weißt aber auch gar nichts. Das ist noch unterhaltsamer als Möbel umstellen«, widersprach Tantchen. Inzwischen hatte ich mich bis auf Unterrock und Schnürleibchen ausgezogen. Natürlich hielt es keine Zofe auch nur kurze Zeit mit mir im selben Raum aus, weil mir dieser lächerliche Kopf überallhin folgte.
    »Was für eine knochige Figur«, höhnte der Kopf. »Laß die Quälerei und begnüge dich mit dem Wissen, daß du eine Mißgeburt bist.« Ich funkelte ihn böse an und ging zur Kommode, um den Kasten zu schließen. Doch der Kopf, der tatsächlich ziemlich raffiniert war, lenkte mich mit einer Bemerkung von meinem Vorhaben ab. »Ehrlich«, sagte er und verdrehte beim Anblick meiner Unterwäsche ein grausiges Auge, »warum drückst du dich mit dem steifen Ding da so flach und ziehst dann die bauschigsten Kleider darüber, die ich je im Leben gesehen habe? Ich habe schon Geschwülste gesehen, die hatten eine gefälligere Form als deine ausgestopften Ärmel. Als ich jung war, da haben die Frauen wirklich schön ausgesehen in ihren fließenden Gewändern,

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