Die geheime Mission des Nostradamus
den Herrn aller Wünsche gestohlen hatte.
»Erhabener Hexenmeister, großmächtiger Herr, es ist nicht meine Schuld… es war ein Kinderspiel, ihn Simeonis Helfershelfer zu stehlen… bedenkt meine Reisen, die Entbehrungen…«
»Warum hast du ihn mir dann nicht gebracht?«
»Maestro, in Marseille haben ihn mir zwei Schurken geraubt und mich für tot liegengelassen…«
»Eine wundersame Genesung«, meinte Ruggieri.
»Ja, wie durch ein Wunder bin ich genesen, und Nachfragen bei der Küchenmagd des Gasthauses haben ergeben, daß sie im Dienst eines Mächtigen stehen…«
»Schweig, es reicht«, sagte der Zauberer der Königin, doch innerlich kochte er vor Wut, weil seine eigene Gönnerin ein doppeltes Spiel mit ihm getrieben hatte.
»Ich hinter ihnen her – ich habe mich an sie geheftet wie ein Blutegel, den langen Weg nach Lyon, wo ein finsterer Geselle ihnen in einer Taverne etwas in den Wein schüttete und sich dann hastig absetzte.«
»Ausreden, nichts als Ausreden.« Ruggieri trommelte ungeduldig auf den steifen, schwarzen Ledereinsätzen seiner Kniehose. »Hast du herausbekommen, für wen der gearbeitet hat?«
»Sein Gesicht war mir bekannt, Maestro. Den habe ich schon in Diensten der Herzogin gesehen.«
»Psst. Die Wände haben Ohren.«
»Der… ach ja, der anderen Dame. Er ist ein elender Verbrecher, ein alter Soldat mit schmeichlerischer Zunge. Als er sich umblickte und mich sah und vor sich die Stadttore von Orléans, da hat er es einer Dame übergeben, die es für ihn mit in die Stadt genommen hat. Das war auch gut so, denn man hat ihn am Tor wegen eines anderen Verbrechens verhaftet, und dann hätten die es bekommen, und für uns wäre es auf immer verloren gewesen.«
»Eine Verbündete, ja? Die… andere… Dame ist immer für eine Überraschung gut. Hast du herausgefunden, wer das gewesen ist? Eine Bedienstete jener anderen Person?«
»Ich habe die Wachen am Tor ausgefragt. Es war eine große dunkelhaarige Frau, an die man sich leicht erinnert. Sie hat einen Brief an ihre Tante vorgezeigt, an eine gewisse Witwe Tournet, die innerhalb der Stadtmauern wohnt. Eine wohlhabende, wunderliche alte Frau, aber ihr Haus ist verschlossen und gut bewacht. Sie geht nur selten aus. Es ist mir nicht gelungen, dort einzubrechen.«
»Na schön, dann werden wir uns anderer Methoden bedienen müssen. Wie, sagtest du noch, lautet der Name der Dunkelhaarigen?«
»Sibille de la Roque.«
»Von den mächtigen de la Roques?«
»Nein, der Name leitet sich vom Gut eines jämmerlichen, aufgeblasenen hobereau ab, es liegt am Waldrand unweit der Landstraße Paris-Orléans und heißt la Roque-aux-Bois.«
»Hmm«, raunte Ruggieri. »Mir fällt gerade etwas ein.«
»Danke, danke, Maestro. Schickt mich, wohin es Euch beliebt. Ich will Eure Hände, Eure Augen sein.«
»Und mein Dolch«, fügte Ruggieri hinzu und bedachte seinen katzbuckelnden Diener mit einem gütigen Lächeln.
»Steht auf, Cosmo. Fernel sagt, Ihr simuliert. Fieber, daß ich nicht lache! Ihr schwitzt doch gar nicht.« Die plumpe kleine Medici-Königin hatte sich zu dem Schlafzimmer ihres Astrologen auf einem Dachboden des Louvre Zugang verschafft. Es lag unter den langen Kammern, in denen die Dienerschaft zu dritt in einem Bett schlief, war jedoch kleiner und abgeschiedener als die Kammern der höheren Palastangestellten. Wie eine Rachegöttin stand sie am Fußende des Bettes, und ihre kleinen Froschaugen funkelten vor Wut. Ihr zorniges Italienisch prasselte hernieder wie Hagelkörner. An der hinteren Tür des kleinen Zimmers, das in Wirklichkeit nur ein erweiterter Flur war und an beiden Enden Türen hatte, stellte Ruggieris italienischer Lehrling, ein Verwandter, den Krug mit dem Erfrischungsgetränk ab, den er gerade geholt hatte, und suchte das Weite. »Ihr versteckt Euch. Versteckt Euch vor mir trotz meines Befehls, Euch bei mir einzufinden. Ihr habt meinen Zauberkopf gestohlen und ihn an die Herzogin von Valentinois verkauft. Ich habe alles im Traum gesehen. Und meine Träume trügen nie. Sie trügen nie, hört Ihr? Sie zeigen mir, wo die Verräter lauern.« An der vorderen Tür stand eine Frau mit verschränkten Armen und blitzendem Blick, den Mund mißbilligend zusammengepreßt. Madame Gondi, die Frau des Bankiers, die jetzt Madame Peron hieß und der Königin bei ihren Geschäften mit dem Übernatürlichen eine Gefährtin war.
»Meine erhabene und glorreiche Königin, verzeiht mir, daß ich zu schwach bin, um aufzustehen und Euch
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