Die geheime Mission des Nostradamus
man ihr schmieriges, verlogenes Papier unterschreibt? Und wie wird es mir nun gedankt, daß ich meine Familie – meine Tochter – vor dem sicheren Ruin bewahrt habe?« Hohläugig und verbittert spuckte Vater diese Worte geradezu aus.
»Den Dank verdient deine Tochter«, sagte Tante Pauline kalt. »Nicht jeder erhält die Gelegenheit zu widerrufen – vor allem nicht, wenn ein königlicher Günstling mit dessen Besitz liebäugelt.« Vater kniff die Augen zusammen und musterte mich eingehend.
»Sie verdient gar nichts. Ich bin es, dem Dank gebührt, weil ich mich darum bemühe, ihr ein anständiges Leben zu bieten.«
»Blau steht ihr gut, findest du nicht? Es bringt ihren schönen, olivfarbenen Teint zur Geltung. Und der Kopfputz mit den Perlen – sie hat so ausdrucksvolle, kluge Augen.« Irgend etwas an ihren Worten brachte ihn in Rage. Mit wutentbranntem Blick wollte er mich packen, aber ich sprang so rasch auf, daß ich beinahe den Tisch umstieß. Im gleichen Augenblick sauste Tantchens Stock blitzschnell herunter und traf ihn am Musikantenknochen. Aufheulend griff er sich an den Arm, und schon eilten mehrere Diener herbei, um ihn hinauszubefördern. »Gewalttätig wie eh und je«, meinte Tantchen und winkte ab. »Setz dich auf den Stuhl da drüben. Falls du dich aus eigener Kraft befreit hast, dann sag mir doch bitte, woher ich wußte, daß ich diesen Stuhl genau am Freitag für dich bereithalten mußte? Arnaud, schenke M. de la Roque einen Becher von dem ausgezeichneten Wein ein, den ich für ihn aufgehoben habe. Hercule, ich habe dir ein geschäftliches Angebot zu machen, und ich will, daß du mich bis zu Ende anhörst.«
»Der ist gewiß vergiftet«, knurrte Vater, während man ihm Wein eingoß. »Sibille so aufzuputzen, ihr den stolzgeschwellten Kopf noch weiter zu verdrehen. Demut ist es, was sie braucht. Demut und harte Arbeit, keine Seidenkleider.«
»Was kümmert es dich, wenn es mir gefällt, sie hübsch zu sehen?« sagte Tantchen. »Schließlich ist es mein Geld. Alles mein Geld, Hercule, und nur meines.« Ich beobachtete die beiden, wie sie sich böse anfunkelten, und es kam mir so vor, als liefen hier zwei Unterhaltungen ab, die eine mit Worten und die andere wortlos, und die hatte mit lange verborgenen Geheimnissen zu tun, von denen ich keine Ahnung hatte. »Und im Gegensatz zu meinem seligen Mann muß ich mich nicht bemühen, deine Gunst zu erkaufen in der vergeblichen Hoffnung, dadurch etwas ehrbarer zu werden.«
»Das sieht dir ähnlich, Pauline, nichts als Ausreden für Knauserigkeit und dafür, daß du deiner Verwandtschaft den Rücken kehrst.«
»Nicht ich habe dir den Rücken gekehrt, Hercule.«
»Falls du etwas zu sagen hast, dann heraus damit. Ich möchte hier nicht noch mehr Zeit verschwenden.«
»Gut, dann will ich ganz offen sein. Es macht mir Freude, Sibille hier zu haben. Sie ist klug und geistreich und kann sich angeregt über tausend Themen unterhalten. Ihr ist es einerlei, daß mein Haus voller…«
»Und wovon ist es voll? Ratten? Typisch. Wahrscheinlich will sie ihre Knochen studieren oder Ratten züchten, damit sie sehen kann, ob alle die gleiche Farbe haben. Pfui. Ich habe immer gewußt, daß du eine schlechte Hausfrau bist, Pauline. Oder ist es voller Ungeziefer?«
»Gleichviel. So etwas in der Art«, sagte Tantchen. »Kommen wir zum Thema zurück.« Ich konnte sehen, daß sich Dona Dolores hinter Vater manifestierte und sehr interessiert zuhörte. Warum spürte er sie nicht einmal? Vermutlich gibt es Menschen, die sich nicht durch Geister stören lassen. Vielleicht gehörte auch M. Tournet dazu? Das ist wohl nötig, wenn man ein Lasterleben führt. Tantchen beugte sich zu Vater und legte ihre Faust, an der auf jedem Finger ein Ring prangte, auf den Tisch. »Hercule«, sagte sie, »ich möchte, daß du mir Sibille überläßt.«
»Niemals«, entgegnete Vater. »Das haben wir alles schon besprochen.«
»Ja, aber da hattest du noch nicht dein letztes Stück Land beliehen.«
»Sibille, du hast schon wieder geplaudert. Lernst du denn nie, den Mund zu halten.« Ich machte große Augen. Das war ganz und gar ungerecht. Kein Sterbenswörtchen hatte ich verlauten lassen.
»Welchen anderen Grund könntest du haben, außer mir eine Bitte abzuschlagen?« sagte Tante Pauline. »Du weißt, daß Gott mir keine Kinder geschenkt hat. Ich wünsche mir eine Tochter, und du bist so knauserig, daß du sie nicht einmal verheiratest.«
»Und wieviel willst du dieses Mal bieten?« Was
Weitere Kostenlose Bücher