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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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die einen entzückenden kleinen Busen sehen ließen.«
    »Du hast überhaupt keine Ahnung von Damenmode«, sagte Tantchen. »Wie lange ist es her, daß du dergleichen gesehen hast?« Sie hielt die himmelblaue Seide hoch und wollte sie mir über den Kopf ziehen.
    »Ungefähr tausend Jahre. Aber damals war die Mode schöner.«
    »Das sagen alle alten Leute«, meinte Tantchen und half mir beim Zuknöpfen.
    »Du bist mehr als tausend Jahre unter Menschen und hast noch nie bemerkt, was Frauen so tragen?« fragte ich.
    »Nicht meine Schuld«, murrte der Kopf. »Die meiste Zeit war ich mit Zauberern eingesperrt. Ewig das gleiche Fledermausdekor, die gleichen mystischen Gewänder, die gleichen Zauberstäbe und Karten. Und ich war beschäftigt. Ich war sehr beschäftigt. Es ist gar nicht so leicht, sich Mittel und Wege auszudenken, wie man die Leute durch ihre eigenen Wünsche in ihren wohlverdienten Untergang zieht. Dazu braucht man ein brillantes, stets arbeitendes Hirn.«
    »Papperlapapp«, sagte Tantchen. »Das schaffen die Menschen auch allein, dazu brauchen sie dich nicht.«
    »Das«, murrte der Kopf, »ist eine schwere Beleidigung. Derlei Bemerkungen vergesse ich nicht. Von mir hast du keine Gnade zu erwarten.«
    Tantchen lachte.
    »Das ist nichts Neues. Sibille, mein Schatz, sieh in den Spiegel. Du mußt doch zugeben, daß du ganz verwandelt bist.«
    Das Kleid, ein umgeändertes spanisches Modell, hatte einen Schlitzrock aus dunkelblauem silbrigem Brokat, der mit himmelblauer Seide unterlegt war. An das dazu passende Oberteil waren abnehmbare und geschlitzte Puffärmel aus gleicher Seide angebracht, die mit Spitzenvolants verlängert worden waren, damit sie meine langen Arme und die knochigen Handgelenke verbargen. Über einem steifen, mit Fischbein verstärkten Kragen reichte die schmale gefältelte Krause mir fast bis an die Ohren. Das war die ganz große Mode und das eleganteste Kleid, das ich je im Leben gesehen hatte.
    »Es sieht aus, als ob dein Kopf auf einem Teller liegt«, bemerkte das Ding im Kasten.
    »Ist das richtig so?« fragte ich.
    »Die allerneueste Mode, von der Herzogin von Valentinois selbst eingeführt. Das hat mir meine Schneiderin letzten Monat versichert«, sagte Tantchen. »Laß dich nicht von der alten Mumie da beirren.«
    »Ich habe schon Kalbsköpfe gesehen, die genau so serviert wurden«, kicherte der unsterbliche Kopf.
    Tantchen griff zu ihrem Spazierstock und schlug mit einer einzigen raschen Bewegung den Deckel des Kastens zu. »Es reicht«, sagte sie, während das Ding nur noch erstickt und entrüstet quietschen konnte. »Und da du jetzt so elegant bist, Sibille, laß uns im Empfangszimmer Karten spielen. Ich habe eine Botschaft von… einem alten Freund und erwarte für heute einen Besucher, auch wenn ich nicht weiß, wann er kommt. Freitag. Ja, wir haben Freitag, nicht wahr? Julian hat gesagt, er würde gegen Freitag morgen draußen sein.« Julian? Wer war das? Du liebe Zeit, kannte sie den Bischof etwa persönlich? Sie stemmte sich von ihrem Stuhl hoch und bewegte sich schwerfällig und mit tappendem Spazierstock zur Tür.
    »Aber ja, natürlich ist heute Freitag, Tantchen. Wer kommt denn?«
    »Das, mein Schatz, ist eine Überraschung. Und nun sag, warum nimmst du beim Kartenlegen immer die Trumpfkarten heraus und legst nur die Münzen aus?« Wir gingen jetzt in Richtung des Empfangszimmers im vorderen Teil des Hauses. Einige kostbar möblierte, kleinere Zimmer gingen ineinander über und bildeten eine Art Flur. Ein ums andere Mal blieb Tantchen stehen und fegte mit dem Spazierstock ein besonders großes Spinnennetz weg. All dieser Luxus, und nahezu unbewohnt.
    »Im Giardino dei Pensieri steht, daß man es so tun soll. Es ist doch nur ein Spiel, Tantchen. Matheline hat mir gezeigt, wie es geht, als sie mir das Buch schenkte.«
    »Diese Matheline. Eine Pfuscherin auf allen Gebieten! Du mußt alle vier Farben ausspielen, mein Schatz, und alle Bildkarten. Denn gerade die Bildkarten vermitteln das geheime Wissen. Ich bringe es dir bei. Bei mir lügen die Karten nie. Sie haben mir gesagt, daß du kommst, und so ist es geschehen. Jetzt erzählen sie mir, daß ich reisen werde. Und das in meinem Alter! Ich habe nicht die geringste Lust. Also mußt du die Karten legen und für mich deuten. Eine zweite Meinung kann nie schaden.«
    »Tantchen, ich mag die Trumpfkarten nicht. Sie flößen mir so komische Gefühle ein, wenn ich sie ansehe.«
    In diesem Raum waren die Vorhänge zufällig nicht

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