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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Arkade taumelte, erinnerte sie sich plötzlich an die Frage des grünhaarigen Mädchens bei ihrem ersten Besuch im großen Saal. »Und wenn wir dem Gong nicht folgen?«
Die Antwort der uralten Frau kam tief aus Wanjas Gedächtnis. »Wenn ihr dem Gong nicht folgt, bleibt etwas von euch für immer zurück.«
Mischa verließ den Saal.
Mit einem harten Klacken fiel die rote Tür hinter ihm ins Schloss.
Die anderen Jugendlichen waren ebenfalls aus ihren Arkaden getreten. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Auch nicht Alex und Natalie, die jetzt auf Wanja zukamen. Nur die alte Frau auf der Bühne wusste es. Wanja hatte es an ihrem Gesicht erkannt.
»Hey, wo wart ihr denn vorhin?« Alex grinste Wanja an. Dann stockte er. »Und was ist mit Mischa? Warum ist er weg?«
Wanja schob sich wortlos zwischen den beiden hindurch. Sie ging zur Bühne. Hielt sich an dem verschnörkelten Rahmen fest. Fühlte die weiche Staubschicht auf dem warmen Holz. Hörte, wie die uralte Frau die anderen Jugendlichen fortschickte. Vernahm unruhiges Murmeln. Natalies Stimme. Schritte. Und dann Stille.
»Komm herauf.« Leise klang jetzt die Stimme der alten Frau. »Dort an der Seite ist die Treppe. Komm herauf zu mir. Komm.«
Wanja stieg die schmalen, an der linken Bühnenseite versteckten Stufen nach oben. Die alte Frau kam auf sie zu. Winzig war die Hand, die sie Wanja entgegenstreckte. Aber als Wanja nach ihr griff, fühlte sie sich fest und stark an.
»Was passiert jetzt? Oh Gott, was wird jetzt? Was wird mit Mischa? Wieso stand er vor dem Rahmen? Und was …« Wanja krallte sich fest an der kleinen Hand. »Was ist zurückgeblieben?«
Die meerblauen Augen der alten Frau schimmerten hell und dunkel zugleich. »Was du vorhin von Mischa gesehen hast, war nur sein äußerer Körper. Das, was im Bild geblieben ist«, die Stimme der alten Frau zitterte, »ist jener Teil, mit dem ihr in die andere Ebene reist. Wir nennen ihn den Reisekörper. Im Bild sieht er aus wie eure vertraute Gestalt und fühlt sich auch genauso an. Aber seine Kraft ist begrenzt. Der Gong ist das Zeichen zur Rückkehr. Sonst …« Die alte Frau hielt inne.
»Sonst?« Wanjas Stimme war ein Flüstern.
»Sonst löst sich der Reisekörper auf.«
»In was?« Wanja atmete kaum.
»In nichts.«
Wanja schloss die Augen. Eine Flut von Gedanken stürzte auf sie ein. Darunter, gestochen scharf, ein Erlebnis aus ihrer frühen Kindheit. Jener Nachmittag, an dem sie mit starkem Fieber im Bett gelegen hatte, noch im Haus ihrer Großeltern. Und jener Augenblick, als sie plötzlich das Gefühl hatte, aus sich heraus nach oben zu schweben. Nach oben zur Zimmerdecke, von wo sie auf ihren liegenden Körper herabgesehen hatte. Unheimlich und wunderbar zugleich war dieses Erlebnis gewesen. Dann dachte sie an den Sog, den sie jedes Mal empfand, wenn sie das Bild berührte. Das Ziehen in ihrem Inneren und das Gefühl von Leichtigkeit, das ihrem Erlebnis von damals ganz ähnlich war. Bei ihrem ersten Besuch hatte sie den Sog am stärksten empfunden, die anderen Male war er ihr immer selbstverständlicher erschienen. Und dann wurde Wanja das Gefühl bewusst, das der Gong in ihr auslöste. Dieses Kribbeln und die Sehnsucht, die jedes Mal nachließ, sobald sie wieder in der Arkade stand. Schon ein paar Mal hatte sie Mischa darauf ansprechen, ihn fragen wollen, was es wohl bedeutete, ob er es auch fühlte. Aber irgendwie hatte es sich nie ergeben. Zu viele Fragen waren da, die Wanja wichtiger erschienen.
Sie trat einen Schritt zurück und sah an sich herunter. Sie trug nicht mehr das Kostüm, sondern die Kleidung, in der sie gekommen war. Still ruhten die Augen der alten Frau auf ihr. »Die Sehnsucht nach der anderen Ebene ist stark«, sagte sie. »Aber stärker noch ist die Sehnsucht, zurückzukehren. Zurück in den Körper, der unser Zuhause ist. Das hast du gefühlt, nicht wahr?«
Wanja nickte nur.
»Der Gong, den ihr jedes Mal hört, ist nur das äußere Zeichen zur Rückkehr. Aber der Reisekörper fühlt auch so, wann seine Zeit gekommen ist. So, wie wir auch ohne Wecker aufwachen, wenn wir wissen, dass etwas Wichtiges bevorsteht.«
Ja, Wanja hatte es auch dieses Mal gefühlt. Aber der Schatten hatte sich darüber gelegt wie eine schwere Decke, und wenn Amon nicht gewesen wäre, wäre sie vielleicht im Bild geblieben. Genau wie Mischa. Wanja dachte an seinen Körper in der Arkade. An seinen toten, ausdruckslosen Blick.
»Und wie löst der Reisekörper sich auf?« Schwer wie Blei kamen die Worte aus

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