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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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leichter Schimmer von Grün, blühende Bäume, von denen Knospen regneten, die sich schwebend in der Luft zu drehen schienen. Im Süden der Sommer: Grün, Schicht auf Schicht, mit Vögeln, die hier und dort herauslugten, und einem Paar Rehe, die an einem moosigen Bach standen, um zu trinken. Und im Westen schillerte der Herbst in einer Kaskade flammender Gelb- und Rottöne. Es war das Schönste, das ich jemals gesehen hatte.
    Nach einer Weile bemerkte ich Ms.Callender, die mir von der Mitte des Raums, wo die Speiseaufzüge und die Rohrpost hinter dem phantastisch geschnitzten Raumteiler zusammenliefen, zuwinkte.
    Mein Staunen zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Hübsch, nicht wahr? Ich liebe diesen Raum. Tiffany wusste wirklich, was er tat«, sagte sie.
    »Es ist unfassbar.« Wieder dachte ich an meinen Vater. Sein Pech, so viel stand fest!
    »Nun, dann wollen wir dich mal beschäftigen. Heute kannst du dich an den Schreibtisch setzen, damit du verstehst, was hier passiert. Du wirst den Gästen ihre Gegenstände geben, die die Pagen aus den verschiedenen Magazinen schicken. Und alle halbe Stunde gehst du mit dem Wagen herum und sammelst die Gegenstände ein, mit denen die Gäste durch sind.«
    Ich erwartete die Stille einer Bibliothek im HU , aber es war ziemlich laut, besonders in dem geschnitzten Käfig, in dem wir drei Pagen arbeiteten. Die Heizkörper zischten wie liebeskranke Eidechsen, die Speisenaufzüge klingelten, wenn sie ankamen, und die Pneus schlugen knallend und rumpelnd in ihren Körben auf wie Babymeteoriten, während um uns herum die Fenster schimmerten und glühten. Ich starrte sie dauernd an und kam mit meiner Arbeit in Verzug.
    Sarah, eine mollige, blonde Pagin, saß auf einem Drehstuhl an einer langen Reihe von mindestens einem Dutzend verknoteter Pneu-Röhren. Wenn ein Pneu in den Korb neben ihrem Ellbogen fiel, stopfte sie ihn in eine der Röhren und rollte die Reihe auf ihrem Stuhl auf und ab, um die richtige Röhre zu finden – jede führte in ein anderes Magazin. Sie arbeitete so schnell, dass mir beim Zuschauen schwindlig wurde. Ich war froh, dass ich nicht ihren Job hatte.
    Es war faszinierend, die Gäste persönlich zu sehen. Ich erinnerte mich an einige der Namen von den Bestellzetteln, die ich unten in den Magazinen bearbeitet hatte. Sie trugen alle weiße Baumwollhandschuhe, was sie seltsam förmlich aussehen ließ.
    Der Mann von Dark-on-Monday-Productions kam, um ein weiteres Wams zu bestellen. Er war kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte.
    Im hinteren Teil des Raums, unter dem Winterfenster, hatten sich einige Obdachlose niedergelassen. Eine von ihnen hatte ein halbes Dutzend Einkaufstüten dabei und döste mit dem Kopf auf dem Tisch.
    »Darf man hier schlafen?«, fragte ich Ms.Callender.
    Sie blickte hinüber. »Das ist in Ordnung, das ist nur Grace Farr. Im Winter kommen manchmal Leute rein, um sich aufzuwärmen. Du kannst sie schlafen lassen, außer sie schnarchen oder belästigen die Gäste. Wenn du irgendwelche Probleme hast, bitte Anjali um Hilfe oder schick mir einen Pneu. Ich bin dann unten in Magazin sechs. Aber mit Grace wirst du keine Probleme haben. Sie ist eine Freundin.«
    »Das ist gut«, sagte ich. Ich war froh, dass sie einen Platz zum Aufwärmen hatten.
    Nach einer halben Stunde schickte mich Anjali mit dem Wagen los, um die Gegenstände einzusammeln, die die Gäste nicht mehr brauchten. Das Rumpeln weckte die schlafende Grace Farr, als ich an ihr vorbeiging. Sie schaute zu mir auf, und ich erinnerte mich an ihre hellen grauen Augen – Grace war die Frau mit dem Einkaufswagen, der ich meine Turnschuhe gegeben hatte. »Hallo«, sagte ich erschrocken.
    »Hallo, wieder einmal.« Sie zwinkerte. Dann legte sie ihren Kopf wieder auf den Tisch und ich ging weiter.
    Meine Lieblingskunden waren zwei ältere Männer in fadenscheinigen, aber gut sitzenden Anzügen. Sie liehen sich ein prächtiges russisches Schachspiel aus dem 18 . Jahrhundert aus geschnitztem Walross-Elfenbein, nahmen sich einen Tisch in einer Ecke unter dem Herbstfenster und verbrachten den Rest meiner Schicht damit, angestrengt zu spielen.
    Ein Gast, ein kleiner Mann, mit einem akkurat gestutzten Bart, arbeitete auf irgendeine Weise mit Globen. Er bestellte sich ein halbes Dutzend und stellte sie mitten auf einem der langen Tische in einer Reihe unter einer Lampe auf. Mal drehte er sie nach links, mal nach rechts, besah sich die Kontinente mit einer Lupe und machte sich Notizen. Er schien

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