Die geheime Sammlung
sich im HU wie zu Hause zu fühlen. Während er sich einen neuen Globus holte, hielt er kurz an, um ein oder zwei Worte mit den Schachspielern zu wechseln. Ständig sah er dabei zu Anjali herüber.
»Was ist mit den Globen? Ist der Mann Kartograph?«, fragte ich sie.
»Er ist Antiquitätenhändler. Mir laufen kalte Schauer den Rücken herunter, so wie er mich die ganze Zeit anstarrt.«
»Ja, das habe ich auch bemerkt. Unheimlich. Was macht er mit den Globen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Höchstwahrscheinlich versucht er herauszufinden, ob ein antiker Globus, den er verkaufen will, echt ist, woher er stammt oder welchen Preis er nehmen soll.«
Der Mann sah mit leicht nachdenklichem Stirnrunzeln weiter in unsere Richtung. Nicht so, als würde er Anjali bewundern, wie es Jungs so oft taten. Eher so, als würde er den Wert eines Gemäldes einschätzen, das er eventuell kaufen will.
Nachdem ich ungefähr eine Stunde gearbeitet hatte, kam ein Gast, um Schuhe abzuholen. Sie ähnelten jenen, die Marc sich an dem Tag geliehen hatte, als seine Füße nass geworden waren. Genau genommen ähnelten sie ihnen so sehr, dass ich glaubte, es müssten dieselben sein. Ich überprüfte den Bestellzettel und rechnete mit Magazin 2 , Kleidung und Textilien, aber die Nummer begann mit I* GS – eine Bezeichnung, die ich vorher noch nicht gesehen hatte.
Der Gast brachte sie bald wieder zurück. »Entschuldigung, Sie haben mir die falschen Schuhe gegeben.«
Ich überprüfte das Etikett, das an den Schnürsenkeln hing: I * GS 391 . 413 S 94 . »Nein«, sagte ich. »Das Etikett stimmt mit der Bestellnummer auf Ihrem Bestellzettel überein.«
»Nun, dann müssen sie falsch etikettiert sein. Sie funktionieren nicht.«
Verwundert sah ich ihn an. »Was meinen Sie mit: ›Sie funktionieren nicht?‹ Meinen Sie, sie passen nicht?«
»Sie passen perfekt, aber sie
funktionieren
einfach nicht.«
»Wie können Schuhe nicht funktionieren?«
Er blickte mich forschend an. »Es ist wohl besser, wenn ich mit einem Bibliothekar rede. Könnten Sie mir bitte die Aufsicht holen?«
»Selbstverständlich.« Ich nahm die Schuhe mit zu Anjali. »Wo gibt es hier ein Telefon?«, fragte ich sie. »Ich brauche Ms.Callender.«
»Bitte Sarah, ihr einen Pneu zu schicken. Wieso, was ist los?«
»Einer der Gäste besteht darauf, dass diese Schuhe falsch etikettiert sind. Ganz merkwürdig. Er sagt, sie würden nicht funktionieren.«
»Was? Zeig sie mir.« Anjali klang aufgeregt, und ich gab ihr die Schuhe. »Oh, mit so etwas sollten wir Ms.Callender nicht belästigen«, sagte sie schnell. »Du kommst hier ein paar Minuten allein zurecht, oder? Ich bin gleich wieder da.« Sie ging zum Fenster, sprach mit dem Gast und eilte dann hinaus.
Ich hatte Probleme, mit den eintreffenden Gegenständen Schritt zu halten. Es klingelte an einem Aufzug, während ich etwas aus einem anderen nahm, dann läutete es am dritten und die Tür öffnete sich. Die Gegenstände stapelten sich immer höher, während ich zwischen den Aufzügen und dem Pult hin und her rannte. Ich fragte mich, wie Anjali das mit so einer Leichtigkeit erledigt hatte.
Am Fenster bildete sich eine Schlange, und die Gäste begannen zu murmeln, ein leises, aber bedrohliches Geräusch. Der kleine Mann mit dem Bart sah mich stirnrunzelnd an, als mir einer der Globen wegrutschte und mit dem Ständer auf das Pult schlug. Ich war erleichtert, als Anjali endlich mit einem Paar Schuhe in der Hand zurückkam.
»Gut, dass du wieder da bist. Ich war kurz davor, in Panik auszubrechen. Sind das die richtigen Schuhe?«
»Ja, sie waren falsch einsortiert.«
»Also ist das ein anderes Paar?« Für mich sahen sie gleich aus.
Sie nickte und winkte dem Gast mit den Schuhen, der nahm das neue Paar und schnüffelte daran.
Nach einer gemurmelten Unterhaltung mit Anjali, die ich über das Förderband hinweg nicht verstehen konnte, ging er sichtlich zufrieden mit ihnen davon.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich Anjali.
Sie nickte. »Ja, jetzt ist alles in Ordnung. Du brauchst Ms.Callender damit nicht zu belästigen. Ich habe es ausgebügelt.«
»Okay«, sagte ich.
Als Ms.Callender mit Marc hereinkam, sah Anjali kurz besorgt aus, aber sie entspannte sich, als Marc sie aufmunternd anlächelte.
Ms.Callender sah auf ihr Klemmbrett. »Marc, du übernimmst die Aufzüge. Sarah, Liebes, übernimm bitte die Ausgabe, okay? Und Anjali, würde es dir etwas ausmachen, Elizabeth die Arbeit mit den Pneus zu zeigen? Ich bin in der
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