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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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du her?«, fragte ich.
    Ein irrer Gedanke schoss mir durch den Kopf. Vielleicht gab es wirklich einen Schrumpfstrahler im Wells-Erbe und Marc war hineingeraten. Vielleicht
war
das hier Marc.
    »Ich muss mal
geh’n
«, wiederholte Mini-Marc. »Sonst gibt’s ein Unglück.« Mittlerweile hüpfte er von einem Fuß auf den anderen, vor und zurück.
    »Oh! Du meinst aufs Klo?«
    Er nickte energisch.
    »Okay, halt durch. Hier entlang.« Wenn die Säure auf der Haut schlecht für die Sammlung war, wollte ich mir gar nicht vorstellen, was Urin anrichten würde. Schnell brachte ich ihn durch den Raum zur Damentoilette.
    Dummerweise war ein Piktogramm einer Person mit einem dreieckigen Rock auf der Tür. »Das ist das
Mädchen
-Klo«, protestierte er.
    »Stimmt, aber ich kann dich nicht auf das Jungs-Klo bringen – ich bin ein Mädchen. Das ist in Ordnung; es gibt hier drin auch Toiletten. Komm schon.« Ich hielt die Tür auf.
    Er zögerte, folgte mir dann aber.
    »Soll ich dir helfen?«, fragte ich. Er nickte. Es war lächerlich, diesen Gedanken überhaupt zu hegen, aber ich hoffte inständig, dass der Junge nicht Marc war. Denn mal ehrlich: Wie peinlich wäre denn das?
    Natürlich, ein Schrumpfstrahler könnte einen Jungen kleiner machen, aber in einen Dreijährigen verwandeln würde er ihn sicherlich nicht, beruhigte ich mich. Fast hätte ich mich entspannt, bis mir einfiel, dass eine Zeitmaschine das sehr wohl könnte.
    Hör auf zu spinnen,
befahl ich mir.
    »Bin fertig«, sagte Mini-Marc.
    Ich knöpfte ihn zu. »Lass uns die Hände waschen«, sagte ich und hob ihn hoch, damit er an den Wasserhahn kam. Dann wollte er den Handtrockner benutzen und zwar länger als eigentlich nötig.
    »Komm schon, Kleiner«, trieb ich ihn an, »ich muss zurück zur Arbeit. Und deine Mutter wird sich schon fragen, was mit dir passiert ist.«
    Nur widerstrebend ließ er sich zurück in die Halle führen, stürmte dort dann aber plötzlich den Raum hinunter. Ich rannte, um ihn einzuholen. »He! Wo läufst du hin?«
    »Ich muss meinen Ruder finden.«
    »Okay, Kleiner, immer langsam mit den jungen Pferden. Wo ist deine Mutter? Vielleicht sollten wir dich zu Ms.Callender bringen.«
    »Ich muss meinen
Ruder
finden! Ruder! Ruder!«
    »Beruhige dich, Süßer. Was ist denn los mit dir? Hast du Hunger?« Ich kniete mich hin und umfasste seine Schultern; er aber schüttelte mich ab und begann, mit den Füßen aufzustampfen.
    »Wo ist mein Ruder? Ich will meinen Ruder!«
    »André? André, wo bist du?« Wie durch Magie erschien da Marc Merritt am anderen Ende des Raums. Er war normal groß, und ich schämte mich dafür, dass ich mir vorgestellt hatte, er wäre mit einem Schrumpfstrahler behandelt worden.
    Der Junge – André – rannte zu ihm. Seine kleinen Füße stampften wie Pneus, und er warf sich Marc an die Beine und schrie: »Ruder!«
    Marc kniete sich hin und umarmte ihn. »Selber Bruder! Wo warst du? Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dableiben? Du hast mir Angst eingejagt! Mach das nicht wieder, okay?«
    »’tschuldigung, Ruder. Ich musste mal
geh’n
«, erklärte André. »Das Mädchen hat mich gebringt.«
    Marc sah auf, als würde er mich erst jetzt bemerken, und sein Blick war nicht gerade freundlich. Er sah oft arrogant aus, aber diesmal beschlich mich das Gefühl, eine unausgesprochene Anklage in seinem Blick zu lesen.
    »Ich hab ihn auf die Toilette gebracht«, erklärte ich. »Er sagte, es würde ein Unglück geben. Das … ist also dein Bruder?«
    »Ja. Ja, das ist André.« Marc taute ein wenig auf. »Danke.« Dann wandte er sich an seinen Bruder: »Sag danke schön zu Elizabeth, André.«
    »Danke, Libbet«, sagte der Junge.
    »Hast du dir die Hände gewaschen?«, fragte Marc.
    »Ja, ich mag Puste-Ding. Macht
fffffffffff, fffffffffff, fffffffffff
. Ist im Mädchen-Klo. Da haben sie auch Klos.«
    Marc schwang ihn sich mit so einer Leichtigkeit über die Schulter, dass man hätte meinen können, er trüge ein Kätzchen und nicht einen stabil gebauten Dreijährigen. »Okay, Brüderchen, ab mit dir in den Kindergarten. Sag tschüss zu Elizabeth.«
    »Tschühüs, Libbet«, sagte André und winkte mir.
    »Tschüss, André.«
    »Danke, Elizabeth«, wiederholte Marc, diesmal freundlicher. »Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast. Tut mir leid wegen des Ärgers.«
    Es fühlte sich gut an, wenn sich Marc Merritt bei mir bedankte. Mit einem Lächeln beobachtete ich, wie er den kleinen André durch die Halle davontrug.
    Ich

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