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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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bemerkte, dass er wieder die braunen Arbeitsschuhe trug. Waren das seine, oder waren es wieder die unverständlicherweise falsch eingeordneten? Hör auf, befahl ich mir selbst. Wenn ich Freunde finden wollte, musste ich Vertrauen haben.
    Ich ordnete die Opernkleider fertig ein und rumpelte mit meinem Handwagen zurück zum Sammelpunkt. Aaron saß an seinem üblichen Pult und flickte irgendetwas unter einer hellen Lampe, die die üblichen scharfen Schatten über seine Wangenknochen warf.
    »Anjali?«, sagte er, während er aufschaute.
    »Nein, nur Elizabeth«, antwortete ich leicht schnippisch.
    Seine Mundwinkel fielen herab. »Oh, hallo, Elizabeth.« Ich konnte die Enttäuschung in seiner Stimme hören. Wie schmeichelhaft.
    »Was machst du?«, fragte ich.
    »Ich stopfe eine Socke«, antwortete er und hielt sie hoch.
    »Was ist da für ein Klumpen drin?«
    »Ein Socken-Ei.«
    »Ein Socken-Ei? Ich wusste gar nicht, dass Socken aus Eiern schlüpfen.«
    »Das machen nur die besten. Ich kann die billigen, die auf Bäumen wachsen, nicht tragen. Von denen bekomme ich Blasen.«
    »Ja, bestimmt. Ist das aus dem Grimm-Sammelsurium?«, fragte ich.
    »Natürlich nicht. Es ist ein ganz gewöhnliches Socken-Ei«, sagte er kurz angebunden.
    »Ich meinte die Socke.«
    »Wieso sollte sie? Und wieso fragst du immer nach dem Grimm-Sammelsurium?«
    »Weil es dich aufregt und du ziemlich witzig aussiehst, wenn du knurrig bist«, sagte ich. »Also: Ist sie? Die Socke, meine ich. Aus dem Grimm-Sammelsurium.«
    »Nein, sie kommt aus meiner Sockenschublade. Sie hat ein Loch. Mein Zeh hat rausgeschaut, das war sehr unangenehm.«
    »Oh.« Ich war irgendwie beeindruckt. Wie viele Jungs würden sich Gedanken über ein Loch in ihrer Socke machen? »Im Ernst, was ist ein Socken-Ei?«, fragte ich.
    Er griff in die Socke und holte es heraus. Es sah aus wie ein ganz gewöhnliches Hühnerei aus Holz. »Man steckt es in die Socke, um sie dort, wo das Loch ist, zu dehnen, so kann man das Loch besser flicken.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Das ist ziemlich clever. Ich frage mich, wer darauf gekommen ist. Meinst du, die ersten Socken-Eier waren richtige Eier?«
    »Auf keinen Fall. Zu zerbrechlich. Wenn du ein Ei in deiner Socke zerbrichst, wäre das ziemlich eklig.«
    »Und was hat man dann als erstes benutzt?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich runde Steine. Wenn du wirklich neugierig bist, könntest du einen Blick auf die Eier-Sammlung werfen.«
    »Die Eier-Sammlung? Ist das so was wie das Grimm-Sammelsurium?«
    Er schnaubte. »Natürlich nicht. Ich meinte einfach die verschiedenen Eier im Archiv.«
    »Es gibt hier Eier?«
    »Natürlich, viele verschiedene.«
    »Hart gekocht? Gewendetes Spiegelei?«
    »Ukrainische Ostereier. Porzellaneier, um Hennen zum Legen anzuregen. Bemalte Straußeneier. Sogar ein paar versteinerte Dinosaurier-Eier.«
    »Wow! Wie sehen die aus?«
    »Groß und rund.«
    »Kann man die benutzen, um seine Socken zu stopfen?«
    »Wenn man Riesenfüße hat.« Er schaute auf meine Füße und grinste.
    Ich bin ein wenig empfindlich, was meine Füße angeht, und ich merkte, wie ich rot anlief. Um meine Verlegenheit zu überspielen, sagte ich: »Wie kann man sich sicher sein, dass es Dinosaurier-Eier sind und nicht Eier des riesigen Vogels?«
    »Welcher riesige Vogel?« Jetzt klang Aaron beunruhigt.
    »Der Vogel, der angeblich Leuten folgt und ihnen ihre Gegenstände stiehlt.«
    Seine Augen verengten sich vor Misstrauen. »Wer hat dir davon erzählt? Marc?«
    »Nein, Anjali.«
    »Oh. Na ja, darüber sollte sie nicht reden. Und du solltest definitiv keine Witze darüber machen!«
    »Wieso nicht? Glaubst du wirklich, dass es einen riesigen Vogel gibt, der Dinge stiehlt?«
    »Vielleicht. Aber darüber macht man auf keinen Fall Scherze.«
    »Elizabeth?«, sagte jemand hinter mir. Diesmal
war
es Anjali.
    »Anjali!«, sagte Aaron wieder. Seine Stimme war voller Freude, wie die eines Kindes, das den Eiswagen hört. Er hatte sich nicht so angehört als er mit
mir
gesprochen hatte. Ich entschloss mich, ihn zu hassen.
    »Hallo, Aaron, kann ich mir Elizabeth mal für eine Minute ausleihen?«, fragte Anjali.
    »Wofür brauchst du sie? Vielleicht kann ich dir stattdessen helfen«, bot er hoffnungsvoll an, aber Anjali schüttelte den Kopf. »Es geht um Mädchen-Kram.« Dann zog sie mich in eine dunkle Ecke in der Nähe des *W-Raums. »Ich brauche deine Hilfe bei einer … persönlichen Angelegenheit«, wisperte sie.
    »Natürlich. Worum

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