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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ein Anwalt verhalten, wenn er seinen Fall nicht verlieren wollte. Ein Anwalt sollte keine unnötigen Fragen stellen, auf die er keine Antwort wusste. Sich daran erinnernd, sah der Richter zu, wie sein Sohn Laub aus Brainers Fell entfernte, und räusperte sich.
    Seine Stimme war etwas zu laut, als er fragte: »Was willst du dagegen unternehmen?«

[home]
    21
    K ate hatte alles ausgepackt und sich in ihrem Zimmer im East Wind Inn eingerichtet. Bonnie stand auf einem Stuhl, um besser aus dem Fenster schauen zu können. Sie war sehr geduldig gewesen und hatte auf ihren Spaziergang gewartet, doch als sie sah, dass Kate die Leine von der Kommode holte, brach sie vor Freude in lautes Gebell aus.
    Kate zog ihren dunkelgrünen Wollmantel an, setzte eine cremefarbene Baskenmütze auf und ließ sich von dem Scotchterrier nach unten ziehen. In zwei Tagen war Thanksgiving, und der Duft nach selbst gebackenen Obstkuchen erfüllte den Gasthof.
    »Apfel und Kürbis«, sagte Felicity, als Kate in der Eingangshalle erschien. »Ich hoffe, dass Sie am Donnerstag mit uns zu Abend essen.«
    »Vielen Dank. Aber ich bin höchstwahrscheinlich schon anderweitig verplant.«
    Wie kam sie eigentlich auf
die
Idee? Sie errötete bei dem Gedanken. Vielleicht hatte sie insgeheim gehofft, von den O’Rourkes eingeladen zu werden. Sie stellte sich den großen Esstisch vor, der sich unter der Last des Festessens bog – Truthahn, Füllung, Stampfkartoffeln und Zwiebeln in Sahnesoße –, das von Maggie gepflückte Trockenblumengesteck, Lachen und Gespräche.
    »Wie auch immer, Sie sind jederzeit willkommen.«
    »Ist das Restaurant am Abend geöffnet?«
    »Nein.« Felicity schüttelte den Kopf. »Nur für die Familie … Mein Mann und ich, Caleb natürlich, mein Schwager Hunt … das heißt, falls ich die Männer von ihrer Arbeit loseisen kann.«
    »Unermüdliche Arbeiter, Ihre Männer«, sagte Kate, gegen Bonnie ankämpfend, die an der Leine zerrte. In der Ferne vernahm sie ein Hämmern. »Ist Caleb immer noch mit dem Umbau der Scheune beschäftigt?«
    »Was?«, fragte Felicity, den Kopf zur Seite geneigt.
    »Dieses Geräusch …« Kate verstummte, damit Felicity es ebenfalls hören konnte. »Klingt, als ob jemand Nägel einschlägt.« Das Hämmern war weit entfernt, aber stetig. Vielleicht hatte sich Felicity, die hier lebte, so daran gewöhnt, dass sie es gar nicht mehr wahrnahm. »Als ich das letzte Mal hier war … Sie erinnern sich? Caleb arbeitete gerade an der Scheune.«
    »Ach ja.« Felicity lachte. »Ein Projekt, bei dem kein Ende abzusehen ist. Wir wollen die Anzahl der Gästezimmer bis zum nächsten Sommer erhöhen, aber im Moment ist er voll mit anderen Dingen ausgelastet – Instandsetzungsarbeiten für seinen Vater. Also dann, ich möchte Sie nicht von Ihrem Spaziergang abhalten. Sieht so aus, als könnte Bonnie es gar nicht mehr erwarten, an die frische Luft zu kommen … um Kaninchen aufzuscheuchen, oder was auch immer. Und ich muss zu meinen Kuchen zurück.«
    »Danke nochmals«, sagte Kate, aber Felicity war bereits verschwunden.
    Sie öffnete die Eingangstür, und ein Schwall kalter Meeresluft schlug ihr entgegen, als sie Bonnie auf dem unbefestigten Weg folgte. Sie gingen die dunkle Mastbaumkiefern-Allee entlang und überquerten den kleinen Bach, der nur wenig Wasser führte und durch die Apfelplantage floss. Das Haus der O’Rourkes, auf der Landzunge erbaut, die in den Sund hineinragte, wirkte verwaist. Ein Stück weiter hinten ragte der Leuchtturm auf, zeichnete sich weiß schimmernd gegen den kalten Novemberhimmel ab.
    Die Wellen brandeten ans Ufer, schwappten über die felsige Küste. Kate versuchte, tief durchzuatmen, aber ihre Brust war wie zugeschnürt. Seit ihrem letzten Besuch war nur wenig Zeit vergangen, und sie tappte noch genauso im Dunkeln wie vorher. Von ihrer Schwester fehlte nach wie vor jede Spur; immer wieder gingen ihr die Dinge im Kopf herum, die ihr Bruder und Andrew gesagt hatten, die Frage, ob sie Willa mit ihrer Wut ein für alle Mal vertrieben hatte.
    Als ihr Blick die Küste entlangschweifte, bemerkte sie mehrere Wellenbrecher, die ins Meer hineinragten. Welcher von ihnen war Point Heron? Schaudernd dachte sie an die Leiche, die vor Kurzem gefunden worden war. Die Zeitungen hatten über das Mädchen berichtet, dass sie von klein auf Boote geliebt und jedes Jahr während der Sommerferien in der Werft ihrer Eltern gearbeitet hatte.
    Während Kate mit Bonnie in Richtung Klippe ging, dachte sie an

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