Die geheime Waffe
sämtliche Segelpatente, um eine größere Yacht steuern zu können. Für mich wäre selbst van Houdebrincks Zilvermeeuw nur ein kleines Boot«, sagte Giselle Vanderburg mit einem gewissen Stolz und versäumte es nicht hinzuzufügen, dass ihr Exmann es nicht so weit gebracht habe wie sie. »Er ist über den Küstensegelschein nicht hinausgekommen. Aber so war es bei den meisten seiner Projekte. Er ist immer an seiner Unzulänglichkeit gescheitert, sogar bei unserer Scheidung. Als wir geheiratet haben, fürchtete er, er könne für Verluste bei meinen Immobiliengeschäften haftbar gemacht werden, und hat streng auf Gütertrennung bestanden. Jetzt ist mein Vermögen mehr als zehnmal so groß wie das seine, und er bekommt keinen lumpigen Cent von mir!«
Während der nächsten Viertelstunde enthüllte Giselle Vanderburg
etliche Einzelheiten aus ihrer Ehe und ihrem Geschäftsleben, teils, um sich für Sedersen interessant zu machen, teils auch, weil sie froh war, endlich mit jemandem über all das reden zu können. Die meisten ihrer Freundinnen verübelten ihr die Scheidung, weil sie ihren gut aussehenden, charmanten Ehemann angeblich so schofelig behandelt habe, und der Rest interessierte sich mehr für Kosmetik und Mode als für die Gefühle, die in ihr tobten.
Sedersen spürte, dass es ihm leichtfallen würde, diese Frau für seine Pläne einzuspannen. Sie war ehrgeizig und sehnte sich gleichzeitig nach Aufmerksamkeit. Das war genau die Kombination, die er schätzte. Bei all den Überlegungen vergaß er nicht, aus welchem Grund er nach Oostende gekommen war. Er verfolgte van Houdebrincks Boot, das an der Spitze der Parade fuhr und dessen große belgische Fahne herausfordernd zu ihm heraufleuchtete. Wieder streichelte er das kleine Handy in seiner rechten Hosentasche und verspürte eine sexuelle Anspannung, die nach Entladung schrie. Ähnlich hatte er sich gefühlt, wenn er das SG21 auf ein Opfer angelegt hatte. Nun aber wurden diese Gefühle durch die Anwesenheit einer ebenso attraktiven wie willigen Frau verstärkt.
Der Wunsch, den Handyknopf zu drücken und dann mit Giselle Vanderburg in der für ihn reservierten Hotelsuite zu verschwinden, wurde immer mächtiger. Doch noch war van Houdebrinck samt seinem Boot zu nahe am Ufer, und zu viele Segler waren in seiner Nähe, die ihm bei einer Explosion zu Hilfe eilen konnten. Er hatte nichts davon, wenn sein Opfer zwar schwerverletzt, aber noch lebend geborgen und in eine Klinik gebracht wurde. Van Houdebrinck musste sterben. Überlebte der Mann, würde er die flämischen Nationalisten für diesen Anschlag verantwortlich machen und diese mit aller Kraft bekämpfen. Mit dem Nimbus des Märtyrers behaftet, konnte er bei einer Volksabstimmung vielleicht sogar die Mehrheit der Flamen für den Verbleib bei Belgien gewinnen.
Sedersen knurrte bei der Vorstellung und irritierte die Frau neben ihm. »Was haben Sie?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Auf die Dauer wird es mir langweilig, auf die Boote und das Meer zu starren. Wollen wir nicht an die Bar gehen?«
»Gerne!« Giselle Vanderburg hakte sich bei ihm unter und ließ sich zur Bar führen, die im vorderen Bereich des Clubzimmers eingerichtet worden war. Dort entdeckte Sedersen seinen Fahrer. Er hatte nicht nur Jasten, sondern auch Rechmann in Balen zurückgelassen, damit sie nicht durch einen dummen Zufall in Oostende wiedererkannt wurden. Stattdessen hatte er einen von Lutz Dunkers Kumpanen als Chauffeur mitgenommen. Allerdings war der Kerl kein guter Griff gewesen, wie die Kreuze auf dem Bierdeckel bewiesen.
»Sie sollten jetzt mit dem Trinken aufhören«, sagte er eisig.
Der Bursche starrte auf sein noch halbvolles Glas und streckte die Hand aus, um wenigstens das noch zu leeren. Sedersen war jedoch schneller als er, packte das Gefäß und goss den Inhalt in das kleine Spülbecken hinter der Theke. Dann winkte er den Barkeeper zu sich.
»Dieser Mann hier«, er deutete mit dem Daumen auf seinen Chauffeur, »bekommt heute keine alkoholischen Getränke mehr, verstanden? Ich selbst hätte gerne einen Pierre Ferrand und Sie, liebste Giselle?«
»Ein Glas Veuve Clicquot!« Die Frau lächelte erfreut, als Sedersen zu seinem Cognac auch ein Glas davon bestellte, um mit ihr anstoßen zu können.
Das Gespräch mit der Immobilienmaklerin half Sedersen, seine Anspannung unter Kontrolle zu halten. Giselle wusste intelligent zu plaudern und hielt ihm zwischendurch einige ausgewählte Immobilien wie einen Köder
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