Die geheime Waffe
müssten. Das Letzte habe ich nicht gesagt, verstanden?« Wagner wirkte nervös, denn er wusste, dass seine Leute sich bei ihrer Arbeit oft genug am Rande der Legalität entlanghangeln mussten.
»Können wir nicht die hiesige Polizei oder die belgische Armee dazu bringen einzugreifen?«, fragte Torsten. »Für mein Gefühl muss diese Eiterbeule so rasch wie möglich aufgeschnitten werden. Die haben Größeres vor. Dessen bin ich mir sicher!«
»Haben Sie einen Anhaltspunkt? Natürlich nicht! Und ich ebenso wenig.« Wagner sah für Augenblicke alt und erschöpft
aus. Seit Wochen musste er seinen Vorgesetzten Rede und Antwort stehen und hatte ihnen bisher nicht den geringsten Anhaltspunkt liefern können.
»Renk, von Tarow, das Schicksal unserer Truppe steht auf dem Spiel. Oben heißt es bereits, dass man uns besser wieder in den normalen Dienstbetrieb eingliedern sollte. Dann sind solche Aktionen wie jetzt für Sie passé. Stattdessen dürfen Sie ein halbes Jahr Kindermädchen bei Auslandseinsätzen spielen und haben dann sechs Wochen Urlaub, bevor Sie sich irgendwo auf einem Stützpunkt in Arizona oder Utah die Beine in den Leib stehen, weil Sie einem General oder Oberst als Leibwächter zugeteilt worden sind. Wollen Sie das?«
»Kein Bedarf!« Torsten verzog das Gesicht.
»Das habe ich mir gedacht. Doch wenn Sie das verhindern wollen, müssen Sie mir Sedersens Kopf bringen, und zwar so, dass der Rest von ihm noch dranhängt und wir ihn befragen können.«
»Keine Sorge, Herr Major. Den kriegen wir!«
»He, Torsten! Ich habe hier gerade die Fotos von den Leuten im Auto. Der Große, der aussieht wie ein Bär mit Babygesicht, ist Sedersens Handlanger Igor Rechmann, und der Dünne ist Karl Jasten. Die Bahnangestellten, die mit unserem Transport zu tun hatten, haben einen dürren Kerl mit einem Allerweltsgesicht erwähnt. Wir werden den Zeugen die Fotos vorlegen. Vielleicht haben wir jetzt die zweite und entscheidende Spur der vertauschten Container.«
»Schön wär’s!« Torsten stellte fest, dass der Datentransfer mittlerweile abgeschlossen war, und verabschiedete sich von Petra und Wagner. Danach baute er die Anlage ab und steckte das Telefon wieder ein. Er konnte gerade noch seinen Laptop verstauen, da klingelte es auch bereits.
Seufzend hob er ab. »Ja, bitte?«
»Ich bin es«, antwortete eine Stimme, die er als die von Frau Leclerc identifizierte. »Ihrer Braut geht es jetzt doch ein
wenig besser, und da habe ich mir gedacht, wir könnten heute Abend vielleicht zusammen im Garten grillen!«
»Danke, das ist sehr nett von Ihnen!«, antwortete Torsten und hätte die kontaktfreudige Frau am liebsten erwürgt.
NEUNZEHN
E s war ein Tag wie aus dem Bilderbuch, dachte Geerd Sedersen, während er durch das Fenster auf das Meer hinausblickte. Das Wasser glitzerte im Licht der Sonne, und am Himmel waren viele Möwen, aber keine einzige Wolke zu sehen. Es wehte ein sanfter Wind oder, wie die Segler es nannten, eine leichte Brise. Diese war gerade richtig für die bevorstehende Regatta, die mit einer Bootsparade begann. Die Ersten verließen gerade den Yachthafen und segelten gemächlich am Kai des Montgomerydok entlang.
Sedersen blickte durch ein Opernglas und suchte van Houdebrincks Boot. Der Unternehmer stand selbst am Steuer, neben ihm war eine junge Frau, die Sedersen als seine Tochter identifizierte. Drei junge Männer bildeten den Rest der Besatzung.
Einer war der Sohn eines Geschäftspartners van Houdebrincks aus der Wallonie. Damit wollte der Industrielle ein Zeichen setzen, ebenso mit der großen schwarz-gelb-roten Fahne am Heck und den gleichfarbigen Bändern, die am Mast flatterten. Auch andere Teilnehmer der Regatta hatten die belgischen Farben aufgezogen, um Treue zu ihrem Heimatland zu bekunden. Im letzten Jahr hatten noch die Fahnen Flanderns das Bild geprägt. Sedersen war damals als Zwengels Gast hier gewesen und erinnerte sich noch gut daran, wie stolz der Nationalistenführer ihn auf diesen Umstand aufmerksam gemacht hatte.
An diesem Tag hockte Zwengel mit mühsam beherrschter Miene auf einem Sessel und würdigte das Geschehen draußen im Hafen und auf dem Meer keines Blickes. Dafür trank er bereits das dritte Glas Cognac, das ihm ein aufmerksamer Kellner serviert hatte.
Sie befanden sich in der obersten Etage des Europa-Centrums in einer Art Clubraum, der vor allem von flämischen Nationalisten benützt wurde. Hierher wurden nur Leute eingeladen, die der Flämischen Bewegung mindestens
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