Die geheime Waffe
harten Schlag getroffen hatte.
»Brauchen wir den Kerl noch?«, fragte er Rechmann.
Der schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr!«
»Gut!« Jasten zielte auf Gans’ Kopf und drückte ab. Ein kleines, schwarzes Loch erschien auf der Stirn des Ingenieurs. Während der Schütze ungerührt zusah, wie sein Opfer zu Boden sank, bäumte sich dessen Schwester auf und wollte Jasten mit den gefesselten Beinen treten.
Dieser versetzte ihr eine schallende Ohrfeige und gesellte sich zu Rechmann, der ans Fenster zurückgekehrt war und wieder die Zufahrt zur Fabrik überwachte. Plötzlich spannte sich der Hüne an. »Da vorne kommt ein Auto. Los, zum
Werkstor. Dort müssen wir den Kerl abfangen!« Im Rennen zog Rechmann seine Pistole.
Der Bundeswehrfeldwebel machte es ihm leicht, denn er fuhr direkt vor das Gittertor und hupte. Noch bevor er merkte, dass der Mann, der auf ihn zukam, weder vom Werkschutz noch einer seiner Kameraden war, erschoss Rechmann ihn durch die Frontscheibe.
»Der wäre auch erledigt«, sagte er zu Jasten und öffnete das Tor. »Wir fahren den Wagen in die Werkshalle und lassen das Benzin ab. Das gibt ein Feuerchen, sage ich dir!« Er öffnete die Fahrertür, schob den Toten beiseite und lenkte das Auto auf das Werksgelände, wo Jasten bereits das große Tor der Halle geöffnet hatte. Kurz darauf parkte Rechmann das Fahrzeug des Feldwebels neben den übrigen Toten.
Während Rechmann eine Pulverspur von den aufgestapelten Sprengstoffvorräten zur Tür zog, wollte sein Kumpan zum Kastenwagen zurückkehren.
»Hast du nicht etwas vergessen?«, fragte Rechmann.
»Was meinst du?«
»Die Frau! Oder willst du sie bei lebendigem Leib verbrennen lassen?« Rechmann zog seine Waffe, legte auf Gans’ Schwester an und schoss. »Jetzt sind wir fertig.«
Auch Jasten fühlte sich wie im Rausch. Sie hatten zu zweit sechs bewaffnete Männer ausgeschaltet und den Auftrag ihres Anführers erfüllt. Außerdem verdankte Rechmann ihm sein Leben, denn ohne den finalen Treffer auf den dritten Soldaten hätte der seinen Begleiter mit der MP erschossen. Das wusste Rechmann genauso wie er selbst, und irgendwann würde er den Preis dafür einfordern. Nun aber sah er zu, wie Rechmann mehrere Zeitungsblätter zusammenknüllte, mit einem Feuerzeug ansteckte und dorthin warf, wo das auslaufende Benzin auf die Schnur aus Sprengstoff traf.
Rechmann wartete noch, bis die ersten Flammen hochschossen, dann stieg er rasch in den Kastenwagen und fuhr an.
ELF
A m ersten Tag zeigte Torsten Renk seiner neuen Kollegin mit mürrischer Miene alles, was sie auf dem Kasernengelände kennen musste, auf ihre Fragen aber antwortete er nur einsilbig. Punkt siebzehn Uhr machte er Feierabend und fuhr mit dem Bus in den Ort, um in einem Biergarten gegen seinen Frust anzukämpfen. Den Rest des Tages blieb Henriette sich selbst überlassen.
Nun zeigte sich, dass sie als Frau und angehende Geheimdienstlerin gewisse Vorteile genoss. Ein nicht unwesentlicher war ein Zimmer für sich allein, auch wenn es winzig war. Die spärliche Ausrüstung bestand aus einem schmalen Bett, einem Spind, einem Klapptisch und zwei Stühlen, es gab weder einen Fernseher noch ein Radiogerät. Henriette war jedoch zufrieden. In diesem Raum konnte sie ungestört ihren Gedanken nachhängen und telefonieren, ohne dass jemand mithörte.
Da sie versprochen hatte, sich so rasch wie möglich zu Hause zu melden, setzte sie sich auf die Bettkante und rief ihre Mutter an. Es kostete sie eine Viertelstunde, ihr zu erklären, dass es ihr gut gehe, das Essen im Casino erträglich sei und auch noch kein fremder Agent auf sie geschossen habe. Während des Gesprächs bedauerte Henriette nicht zum ersten Mal, dass sie ihren Wechsel zum MAD daheim nicht verschwiegen hatte.
Nachdem sie ihre Mutter mit dem Hinweis, das Ganze sei eher ein Schreibtischjob, so weit beruhigt hatte, dass diese den Hörer dem Vater überließ, atmete Henriette auf. Als ihr Vater sie jedoch nach ihrem Ausbilder fragte, geriet sie in die Bredouille. Was sollte sie über einen Mann sagen, der Orden sammelte wie andere Briefmarken, sich ihr gegenüber aber wie der größte Stoffel benahm?
Kurzentschlossen berichtete sie ihrem Vater, wie Renk sie durch die Dienststelle geführt und ihr alles gezeigt hatte, und
wunderte sich selbst über das positive Bild, das sie von ihrem neuen Kollegen gezeichnet hatte.
Ihr Vater lachte. »Du brauchst mir nichts vorzumachen, Kleines. Ich kann mir vorstellen, dass ein Mann mit
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