Die geheime Waffe
Deutschland im Untergrund verschwunden. Heute aber zeigt es sich, dass sie ihre Kräfte neu gesammelt haben, um heftiger denn je wieder losschlagen zu können. Die Organisation dieses Aufmarsches muss unter strengster Geheimhaltung geschehen sein, denn die Polizei wurde ihren eigenen Angaben zufolge vollkommen überrascht. Es müssen etliche hundert, wenn nicht gar tausend Randalierer sein, die die Innenstadt von Suhl förmlich zerlegen. Ein Kollege sagte vorhin, es würden bereits die ersten Autos angezündet. Die hiesigen Polizeikräfte versuchen nicht einmal mehr, der Horde Herr zu werden, sondern haben sich zurückgezogen und warten auf Verstärkung. Das hier sind Verhältnisse wie in Belgien, meine Damen und Herren. Viele Bewohner der Innenstadt flüchten in Panik, andere verschanzen sich in ihren Häusern. Es ist die Hölle! Wir werden diesen Standort gleich räumen müssen, da die Schlägertrupps in unsere Richtung unterwegs sind. Wir …«
Der Reporter brach ab, als ein Mann des Fernsehteams ihm auf die Schulter tippte. »Los, rein in den Wagen! Sonst kannst du zu Fuß gehen!«
Der Sender schaltete ins Nachrichtenstudio zurück, und eine junge Frau las den Text von einem Blatt ab, den ihr jemand reichte. »Der Innenminister von Thüringen hat vorhin am Telefon erklärt, dass …«
Rechmann schaltete den Ton ab und drehte sich zu Jasten um, der von der Toilette zurückkam. »Dunkers Jungs machen einen ganz schönen Wirbel. Das hätte ich ihnen gar nicht zugetraut. « Danach schaltete er auf einen anderen Sender um, auf dem irgendein Drittligafußballspiel übertragen wurde.
»Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?«, fragte Gans, den die Gelassenheit der beiden Männer nervös machte.
Rechmann schüttelte den Kopf. »Das ist sehr aufmerksam von dir, aber wir trinken nichts.«
»Darf ich mir ein Glas einschenken?« Gans wagte erst aufzustehen,
nachdem Rechmann es ihm erlaubt hatte. Als er sich ein Wasserglas voll Wodka einschüttete, zitterten seine Finger, und er verschüttete etwas von der Flüssigkeit auf den Boden.
»Schade um den guten Schnaps«, spottete Rechmann und wandte sich dann wieder den drittklassigen Fußballspielern zu.
NEUN
K urz nach Mitternacht brachen sie auf. Mirko Gans durfte sich frei bewegen, seiner Schwester aber blieben die Hände gefesselt, und der Mund war immer noch mit weißem Isolierband verklebt. Damit das aus der Ferne nicht auffiel, hatte Rechmann mit einem im Badezimmer gefundenen Lippenstift einen Mund darauf gemalt.
Auf ihrem Weg nach unten begegneten sie jedoch keinem Menschen. Rechmann und Jasten führten ihre Gefangenen zum Kastenwagen, schoben sie ins Innere und befahlen ihnen, sich hinzulegen. Jasten fuchtelte ihnen dabei mit seiner Pistole vor der Nase herum, so dass es selbst Rechmann zu viel wurde. »Pass auf, dass du nicht aus Versehen damit herumballerst. Und schraub gefälligst den Schalldämpfer auf.« Nachdem sie losgefahren waren, ließ Rechmann das Seitenfenster ein wenig herunter und lauschte auf die Geräusche, die aus der Innenstadt zu ihnen drangen. Anscheinend lieferten sich Dunkers Gesinnungsfreunde immer noch Straßenschlachten mit den Polizeikommandos. Ein Einsatzfahrzeug der Polizei raste so scharf an ihnen vorbei, dass Rechmann instinktiv auf die Bremse trat. Gleichzeitig schlug er Jastens Rechte nach unten, der im ersten Schreck mit der Pistole auf den Polizeiwagen gezielt hatte.
»Idiot! Was wäre, wenn einer von denen die Knarre gesehen hätte?«
»Hat aber keiner! Wie du siehst, fahren sie weiter, ohne sich um uns zu kümmern«, giftete Jasten, obwohl der Tadel seines Kumpans berechtigt gewesen war.
»Dein Glück!« Rechmann gab wieder Gas. Auf Umwegen fuhr er zur Waffenfabrik seines Chefs. Dort ließ er den Wagen ausrollen und zog die Handbremse an. Als er die Fahrertür öffnete, war von den Unruhen in der Stadt nichts mehr zu hören und zu sehen. Zufrieden stieg er aus und bedeutete Mirko Gans, ihm zu folgen.
»Du wartest hier. Pass aber gut auf! Ich werde dich bald brauchen«, sagte er zu Jasten und schob Gans auf das Werkstor zu. Mit der einen Hand hatte er seinen Gefangenen gepackt, und in der anderen hielt er seine mit einem Schalldämpfer versehene Pistole.
Zwei Männer – einer in der dunkelblauen Dienstkleidung von Sedersens Werkschutz, der andere in einem Bundeswehrkampfanzug – kamen von innen auf das Tor zu. Beide hielten ihre Waffen schussbereit, senkten sie aber, als sie im Licht der Außenbeleuchtung Mirko Gans
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