Die geheime Waffe
blaue Punkt des Ziellasers genau über dem Herzen der Frau aufleuchtete. Dann drückte er ab.
Wegen des speziellen Treibmittelgemischs war der Knall nicht besonders laut. Bereits in wenigen Metern Entfernung konnte ein Unbeteiligter ihn für das Knacken eines Zweiges halten. Dennoch hallte er in Sedersens Ohren wie Kanonendonner. Er atmete tief durch und sah durch das elektronische Auge des Gewehrs zu, wie die Frau rückwärtstaumelte und der weiße Stoff ihrer Bluse sich rot färbte.
Diesen Schuss soll mir erst einmal einer nachmachen, dachte Sedersen, obwohl er wusste, dass er seine Treffsicherheit der komplizierten Elektronik seiner Waffe verdankte und, wenn er ehrlich war, vor allem auch seinem Ingenieur. In der Hinsicht fand er es bedauerlich, dass Mirko Gans hatte sterben müssen. In diese Überlegung mischte sich das Bedauern, dass er den Mann nicht selbst hatte umbringen können. Es wäre eine Ironie des Schicksals gewesen, Gans mit dem Gewehr zu erschießen, das dieser heimlich nachgebaut hatte.
Während dieser Gedankenspiele verstaute er seine Waffe
in dem Kasten, den Rechmann dafür angefertigt hatte. Nach einem prüfenden Blick verließ er sein Versteck und ging die etwa zweihundert Meter zu seinem Wagen. Bei den ersten Morden hatte er noch sein eigenes Auto benutzt, aber diesmal war er mit einem motorstarken Kleinwagen gekommen, den Rechmann ihm organisiert hatte. Gleich nach dieser Fahrt würde sein Leibwächter ihn wieder verschwinden lassen.
Daher fungierte Rechmann an diesem Tag als Chauffeur, während Jasten mit der großen Limousine zwei Dutzend Kilometer entfernt auf einem Wanderparkplatz wartete. Sedersen verstaute den Gewehrkasten auf dem Rücksitz und nahm neben Rechmann Platz. »Die Sache ist erledigt. Wir können losfahren.«
FÜNF
W agner zog ein Gesicht, als sei ihm die Frau weggestorben. Den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet, sah er nicht einmal auf, als seine drei Mitarbeiter hereinkamen. »Setzt euch«, befahl er. Torsten und Henriette überließen Petra die einzige freie Sitzgelegenheit und besorgten sich Stühle aus dem Besprechungsraum. Als sie alle saßen, drehte Wagner den Bildschirm so, dass sie die Frau erkennen konnten, die mit weißer, blutverschmierter Bluse am Boden lag. Als Wagner den Zoomfaktor erhöhte, war das dunkle Loch in Höhe des Herzens nicht zu übersehen.
»Scheußlich.« Petra hatte als Erste ihre Stimme wiedergefunden.
»Das können Sie laut sagen! Und noch scheußlicher ist, dass diese Frau mit unserem vermissten Supergewehr erschossen worden ist.« Wagner ballte die Faust und hieb so heftig auf den Schreibtisch, dass Bleistifte und Kugelschreiber hochsprangen.
»Jetzt stehe ich vor meinen Vorgesetzten da wie der letzte Idiot! Wir haben bis jetzt nicht die geringste Spur dieses Schurken, und der mordet lustig weiter.«
»Sie hätten mir den Fall nicht entziehen sollen«, wandte Torsten ein.
Wagner zuckte mit den Schultern. »Vielleicht haben Sie recht.« Er musterte Renk kurz und überlegte, ob er ihn erneut auf diesen infamen Mörder ansetzen sollte. Dann aber fiel sein Blick auf Henriette. Sie war zu neu im Dienst, um Renk eine echte Hilfe sein zu können. Außerdem durfte er sie nicht einer solchen Gefahr aussetzen. Wütend, weil er sich mit seiner Entscheidung, Leutnant von Tarow Renk zu unterstellen, selbst die Hände gebunden hatte, hob er einen Bleistift auf, der zu Boden gefallen war, und knallte ihn auf den Schreibtisch. »Sie bleiben erst einmal aus dem Spiel, Renk, und bilden Leutnant von Tarow weiter aus. Ich hatte letztens schon einen Ausbildungsplan erstellt, bin aber noch nicht dazu gekommen, die einzelnen Punkte mit Ihnen zu besprechen. Das hole ich morgen Vormittag nach. Bis dahin werden Sie Frau Waitl helfen, alle Fakten über diesen Mörder und seine Waffe zusammenzutragen.«
Renk rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn. »Ich bin mir sicher, dass die Sache mit dem Neonaziaufmarsch in Suhl zu tun hat, Herr Major!«
»Geht Ihnen da nicht die Phantasie durch, Renk? Außerdem ist es unser Job, den militärischen Bereich zu überwachen. Um die Neonazis sollen sich gefälligst das BKA und die zivilen Sicherheitsdienste kümmern.«
»Dann hoffe ich, dass die mit unserer Dienststelle zusammenarbeiten, Herr Major.« Torstens Zweifel kamen nicht von ungefähr, denn die verschiedenen Geheimdienste betrachteten ihre Informationen als so geheim, dass sie sich allzu häufig weigerten, sie an eine andere Behörde
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