Die geheime Waffe
Kaffenberger war für Sedersen der schlanke Mann mit dem schmalen Gesicht und den weißblonden Haaren zu seiner Linken. Frans Zwengel bedeutete für ihn die Zukunft. Dieser war nicht nur sein Geschäftspartner in Flandern und Mitglied des flämischen Abgeordnetenhauses, sondern auch der Anführer der Geheimorganisation Vlaams Macht, die die Unruhen in Belgien mit allen Mitteln schürte. Der letzte Mann in ihrer Runde war Karl Jasten, den Sedersen nun ebenfalls in seinen inneren Kreis aufgenommen hatte.
Zu Beginn redeten die Männer über die letzten Spiele der Bundesliga, kamen dann aber rasch auf die Unruhen in Suhl zu sprechen.
Zwengel lachte anerkennend. »Ich hätte nie geglaubt, dass ihr Deutschen solch eine durchschlagende Aktion zustande bringt!«
»Die Aktion hat das gewünschte Aufsehen erregt, doch inzwischen
ist die Polizei hinter vielen unserer Freunde her und hat auch schon einige gefasst. Wenn einer von denen erwähnt, dass ich bei mehreren Treffen dabei gewesen bin …« Kaffenberger ließ den Rest ungesagt. Sein Unbehagen bei dem Gedanken an die Folgen sah man ihm jedoch an.
»Ich glaube kaum, dass jemand Sie denunzieren wird«, versuchte Rechmann Kaffenberger zu beruhigen.
»Aber wenn doch?«, jammerte dieser.
»… ist es eine verdammte Lüge, gegen die du dich mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen wirst!«, gab Sedersen leicht amüsiert zurück. »Solange du nicht verrückt genug warst, dich mit der Hakenkreuzfahne in der Hand fotografieren zu lassen, kann dir keiner an den Karren fahren.«
Er warf Kaffenberger einen warnenden Blick zu und richtete seine Aufmerksamkeit auf Zwengel. »In Belgien ist es jetzt fast schon zwei Wochen ruhig gewesen. Geht deinen Leuten etwa die Puste aus?«
Der Flame winkte lachend ab. »Ganz im Gegenteil! Wir bereiten uns auf den nächsten Schlag vor. Die flämischen Fäuste werden bald wieder tanzen, und zwar diesmal in Sint-Pieters-Leeuw. «
Auch Sedersen schmunzelte bei der Anspielung auf die Gruppierung Vlaams Vuist, in der sich rechtsradikale Schläger, Fußballhooligans und übermütige junge Burschen zusammengefunden hatten, die einfach nur Radau machen wollten.
Zwengel grinste. »Wir bringen die Wallonen schon dazu, in die Trennung einzuwilligen, und zwar zu unseren Bedingungen. Brüssel und Brabant waren früher flämisch und sollen es wieder sein.«
»Das wird nicht leicht werden.« Sedersen waren die national-ideologischen Vorstellungen des Flamen fremd, und es interessierte ihn nicht, ob diese oder jene Gemeinde zu Flandern zählen sollte, nur weil dort vor zweihundert Jahren Flämisch gesprochen worden war.
»Wir können bereits Erfolge verzeichnen«, erklärte der Flame stolz. »Etliche der Fremden, die sich in den südlichen Gemeinden von Vlaams-Brabant eingenistet hatten, sind inzwischen weggezogen. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass in keiner staatlichen Schule in ganz Flandern Unterricht in Französisch abgehalten werden darf.«
Kaffenberger und Jasten starrten Zwengel irritiert an, denn sie begriffen den Sinn dieser Aktion nicht. Sedersen hingegen schüttelte den Kopf. An Zwengels Stelle hätte er auf die paar Gemeinden von Vlaams-Brabant verzichtet, welche mittlerweile überwiegend von Menschen mit französischer Muttersprache bewohnt wurden. Er selbst würde aus dem rein flämischsprachigen Gebiet einen neuen, modernen Staat formen, in dem er nicht nur zum größten Wirtschaftsmagnaten aufsteigen, sondern auch bestimmenden Einfluss auf die Regierung ausüben konnte. Doch solange Belgien nicht auseinandergebrochen war, musste er sich mit Männern wie Zwengel abgeben, wenn er seine Pläne verwirklichen wollte. Während der Flame von weiteren Erfolgen seiner Schlägertrupps berichtete, dachte Sedersen an seine Wunderwaffe und an die gut fünfzig Patronen, die er noch besaß. Eine davon reservierte er im Geiste für seinen belgischen Gast. Fanatiker dieser Art waren zu gefährlich, um sie auf Dauer unter Kontrolle halten zu können.
Allerdings würde er noch mehr achtgeben müssen als bisher. Obwohl er einige Gruppen am rechten Rand mit Geld unterstützte, hatte er sich, von ganz frühen Tagen abgesehen, strikt von diesen Leuten ferngehalten. Das war nun von Vorteil, denn so war es ihm möglich, in Zukunft eine wichtige Rolle in der neuen Republik Flandern einzunehmen. Vorher aber musste er alles beseitigen, das ihn belasten konnte. Dazu zählten auch die drei Greise, die von den Hütern der Gerechtigkeit noch übrig
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