Die geheimen Jahre
stockend. »Während des Krieges habe ich an dich gedacht. Ich habe mir vorgestellt, auf die Wiese in Drakesden zu gehen ⦠und du wärst da, und es wäre wieder wie früher ⦠Bitte verlaà mich nicht. Bitte.«
»Ich werde dich nicht verlassen, Nick.« Ihre Stimme schwankte. »Was würden die Leute sagen? Ich bekomme ein Kind, Nick. Ich bekomme dein Baby.«
Sie sah seinen verständnislosen Blick und hörte, wie er vor ungläubiger Freude leise aufstöhnte. Dann nahm er sie in die Arme, sie schloà die Augen, als sie sich an seine Schulter schmiegte, und er küÃte sie auf den Kopf.
Keiner von beiden bemerkte, daà Lally durch die offene Tür des Sommerhauses spähte, sich dann abwandte und schnell durch den Garten davonlief.
Sie fuhren durch die Morgendämmerung nach Hause. Abwechselnd saÃen sie am Steuer, und wenn der Wagen um die Kurven schlingerte, falls Thomasine zu schnell auf die Bremse trat, oder ganz stehenblieb, wenn sie vergaÃ, den Gang einzulegen, vertrieben sie mit ihrem Lachen die letzten Schatten der Nacht. Auch wenn das Lachen ein biÃchen gezwungen klang, so war es doch besser als Tränen.
Als sie in ihrem Haus in Chelsea ankamen, wartete ein Telegramm auf sie. Nicholasâ blasses Gesicht wurde kreideweiÃ, als er es öffnete.
Das Warten, während er um Worte rang, war unerträglich. SchlieÃlich sagte er: »Es ist Pa, Thomasine. Er ist gestern nachmittag gestorben. Ein Schlaganfall.«
Er reichte ihr das Telegramm. Das weiÃe Blatt zitterte in ihren Händen wie abfallendes Laub. Nicholas ging zum Fenster. Schwach und diffus fielen die ersten Sonnenstrahlen ein. Thomasine trat zu ihm und nahm ihn in die Arme. Sie weinte nicht, sondern starrte nur erschüttert ins Leere.
»Du begreifst, was das heiÃt, Thomasine«, flüsterte er. »Wir müssen nach Drakesden zurück. Wir müssen in Drakesden leben. Es gehört jetzt mir.«
Fast alle Einwohner von Drakesden wohnten dem Begräbnis von Sir William Blythe bei. Es wehte ein kalter, böiger Wind, der durch die undichten Türen und Fensterrahmen der Cottages blies.
Daniel und Fay hatten fast den ganzen Morgen gestritten. Genauer gesagt war es weniger ein Streit als ein verbittertes Schweigen gewesen, das nur gelegentlich durch Fays ärgerliche Worte über Daniels Sturheit und Sarkasmus unterbrochen wurde.
Sie setzte ihren Hut auf und überprüfte ihren Lippenstift im Spiegel der Puderdose. Um den malvenfarbenen Hut war ein neues schwarzes Band geschlungen. Daniel bemerkte das Band, schaffte es aber, nichts zu sagen. Fay lieà die Puderdose zuschnappen und sah Daniel an. Er trug seine alte Kordhose, ein Hemd und eine schmutzige Jacke. Seine Arbeitskleider.
»Also gehst du tatsächlich nicht mit.«
»Ich gehe tatsächlich nicht mit.« Er versuchte, die Ungeduld in seiner Stimme zu verbergen.
Sie begann, ihren Mantel zuzuknöpfen. »Wenn du nicht in die Kirche gehst und dergleichen, wie willst du dann ein besserer Mensch werden?«
Daniel holte tief Luft und deutete auf den Stapel Bibliotheksbücher auf dem Tisch. » Damit werde ich zu einem besseren Menschen.«
Sie sah verächtlich auf die Bücher. »Ach, dieser alte Plunder. Es wäre besser, Daniel Gillory, wenn du mit den richtigen Leuten reden würdest und den Höhergestellten gegenüber ein biÃchen höflicher wärst.«
Diesmal schaffte er es nicht, den Sarkasmus in seiner Stimme zu unterdrücken. »Du meinst, vor den Blythes meine Mütze zu ziehen? Mich kleinkriegen zu lassen und zu katzbuckeln? Nein, danke â damit bin ich schon seit Jahren fertig.«
Fay nahm ihre Handtasche. Ihre Augen blitzten vor Zorn. »Und wohin hat dich dein Stolz gebracht? Schau dir das Haus an ⦠Sogar meine Mutter hat zu Hause ein biÃchen Linoleum auf dem Boden.«
Wut stieg in ihm auf. »Ich hab zu tun«, erwiderte er knapp und marschierte in den Hof hinaus. Er ging in den Stall und begann, Nelson zu striegeln. Seine Bewegungen waren zu schnell, zu grob, so daà der alte Gaul ihn vorwurfsvoll anzusehen schien. Er hielt inne und lehnte einen Moment mit geschlossenen Augen den Kopf an Nelsons Hals. Der Geruch von Pferd und Stall beruhigte ihn. Er sagte sich, daà alle jungen Ehepaare Differenzen hatten, daà niemand ohne ein grobes Wort durchs Leben kam. Doch er wuÃte nicht, ob er sich etwas vormachte, denn in
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