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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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in Richtung seiner Lenden zu wandern.
    Mit einem Schrei des Entsetzens zog er sich zurück. Er schlug um sich, ziellos zuerst, dann treffsicherer. »Wie kannst du es wagen – wie kannst du so etwas von mir denken?« hörte er sich rufen.
    Als er, seine Schuhe und sein Hemd packend, rückwärts zur Tür ging, sah er, daß seine Faust Simon am Kinn getroffen hatte. Blut tropfte aus dem Mundwinkel seines Freundes.
    Ungläubig betastete Simon die Wunde. »Du hast mich verletzt.« Er wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Seine Finger waren rot verschmiert. Dann sagte er: »Du bist genau wie die anderen, Blythe. Ich dachte, du wärst anders, aber ich hab mich getäuscht. Eine Frau, ein paar heulende Bälger und ein langsamer Tod bei dem Versuch, die Reste des Familienvermögens zusammenzuhalten.« Mit blitzenden Augen sah er zu Nicholas auf. »Aber du wirst es nicht schaffen. Das wird keiner von euch. Für euch ist’s vorbei.«
    Sie ging ihn suchen. Thomasine hatte Nicholas aus der Umkleidekabine laufen sehen. Simon war drinnen geblieben.
    Er war in der Dunkelheit verschwunden. Zuerst suchte sie im Haus und spähte in glitzernde, fremde Räume. Die großen Zimmer waren leer, das Haus schien verlassen zu sein. Dann suchte sie im Garten. Im Schwimmbecken war jetzt ebenfalls niemand mehr, nur Luftmatratzen, abgeworfene Badekappen und totes Laub trieben auf der Wasseroberfläche. Der Wind blies inzwischen mit eisiger Kälte. Das Gras, durch das sie eilte, war schon starr vor Frost.
    Der Delage parkte noch vor dem Vordereingang. Unheil ahnend, begann sie plötzlich durch Rosenbeete, an Statuen und Zierteichen vorbeizurennen. Mondlicht beschien den Garten. Die Beleuchtung um das Becken half ihr, sich zu orientieren.
    Sie fand ihn in dem Sommerhaus am Ende der Pergola. Mit angezogenen Beinen, das Kinn auf die Knie gestützt und leicht schaukelnd, saß er in der Ecke. Sie sagte seinen Namen, aber er reagierte nicht. Als sie auf ihn zutrat, bemerkte sie, daß er überhaupt nichts wahrnahm. Seine Augen waren angstvoll aufgerissen, die Pupillen bewegten sich ziellos von einer Seite zur anderen. Sie wußte, daß er etwas ganz anderes sah als den Umriß des entfernten Hauses und die weite Fläche des Gartens.
    Â»Was siehst du, Nick?« rief sie. »Was siehst du?«
    Er antwortete nicht. Sie hörte sein leises, verzweifeltes Stöhnen und legte die Arme um ihn, so daß sein Kopf an ihrer Brust ruhte, während sie ihm vorsichtig das feuchte dunkle Haar aus dem Gesicht strich. Immer und immer wieder sagte sie: »Nick – ich bin’s, Thomasine. Du bist bei mir, und du bist sicher. Da draußen gibt’s nichts, was dich verletzen könnte.«
    Schließlich lockerten sich seine Finger, die sich in den dünnen Stoff ihres Kleides verkrampft hatten, sie sah, daß er die Augen schloß, und hörte, daß sein Stöhnen in Seufzer der Erleichterung über die ausgestandenen Schrecken überging. Sie streichelte sein Gesicht und wiederholte: »Da draußen ist niemand, Nick. Nur Bäume und der Garten. Ich bin bei dir. Niemand kann dir weh tun.«
    Die geballten Fäuste in die Augenhöhlen gedrückt, setzte er sich langsam auf. »O Gott. Es tut mir leid …«
    Â»Es gibt nichts, was dir leid tun müßte«, sagte sie entschieden. »Du hast nichts getan, wofür du dich schämen müßtest. Du hattest nur – eine Art Alptraum, das ist alles.«
    Sein Gesicht war blaß und wirkte zerknittert. Er lehnte sich gegen die Holzwand des Sommerhauses zurück.
    Â»Bleib eine Weile hier sitzen. Dann gehen wir heim. Ich fahre, wenn du willst. Ich hab dir oft genug dabei zugesehen.«
    Er hörte nicht zu. »Wenn du gehen willst – wenn du Schluß machen willst –, dann verstehe ich das. Ich war dir ein miserabler Ehemann, das weiß ich«, sagte er.
    Sie ertrug es nicht, den gequälten Ausdruck in seinen Augen zu sehen. Dennoch stand nackte Liebe darin. Obwohl sie im Laufe des vergangenen Jahres viele Male bezweifelt hatte, ob sie überhaupt hätten heiraten sollen, begriff sie jetzt, daß immer noch Reste von Liebe vorhanden waren.
    Thomasine holte tief Luft. »Möchtest du, daß ich gehe, Nick?«
    Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, aber sie glaubte, daß er sie zum erstenmal wirklich wahrnahm. »Ich liebe dich so sehr, Thomasine«, sagte er

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