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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Töchter Lally und Marjorie, und Nicholas, der Erbe. Und Nicholas’ Frau.
    Mein Gott, dachte er. Thomasine. Lady Blythe. Lady Thomasine Blythe .
    Natürlich wußte er seit einiger Zeit, daß Thomasine Thorne, die Nichte der Harkers, Nicholas Blythe geheiratet hatte. Die unstandesgemäße Ehe hatte im Pub, beim Erntedankfest und in den Dorfläden für endlosen Gesprächsstoff gesorgt. Daniel, der sich für Dorftratsch nicht interessierte, hatte sich an den Diskussionen nicht beteiligt. Aber er konnte sich schwer damit abfinden, daß das Mädchen, das einst seine Freundin gewesen war, den Mann geheiratet hatte, der mitgeholfen hatte, ihn seiner Ausbildung, seines Heims und seiner Familie zu berauben. Wenn er sich an die Thomasine seiner Kindheit erinnerte oder an die Thomasine, die er krank und allein am Tag des Waffenstillstands in London getroffen hatte, brandete eine Welle der Wut und ein Gefühl des Betrogenseins in ihm auf. Verbittert fragte er sich, ob sie Nicholas Blythe aus Liebe oder wegen seines Geldes geheiratet hatte. Hatte sie die Vergangenheit vergessen oder als unwichtig beiseite gefegt?
    Daniel überprüfte rasch, ob die Ketten an den schwarzen Ästen der Mooreiche festsaßen. Dann begann er die Pferde anzutreiben, und die Ketten spannten sich wieder.
    Er fragte sich, was Sir William Blythes Tod für ihn bedeutete. Sir William war vielleicht so unachtsam gewesen, ihm Land zu verkaufen, aber würde sein Sohn den gleichen Fehler machen? Er erinnerte sich noch an den Ausdruck in Nicholas’ Augen, als sie miteinander gerungen hatten. Du bist also nicht nur ein Dieb, sondern auch noch aufmüpfig, Gillory?
    Verzweifelt legte sich Daniel gemeinsam mit den Pferden ins Zeug, stemmte sich gegen den Wind und zog sie vorwärts, um den großen Baum auszuhebeln. Aber das vergrabene Monstrum rührte sich nicht. Am ganzen Körper vor Erschöpfung zitternd, fiel er auf die Knie und wußte, daß er geschlagen war.
    Fay fand einen Platz im hinteren Teil der Kirche, eingezwängt zwischen den übrigen Dorfbewohnern und hinter den Reihen der Verwandten und der Dienerschaft der Blythes. Später, im Schutz eines Eibenbaums, beobachtete sie die Beerdigung. Schon bald achtete sie nicht mehr auf die frommen Worte, sondern betrachtete eingehend die Familie am Grab. Von den Gesichtern der Frauen, die hinter Schleiern verborgen waren, war wenig zu sehen, aber sie beneidete sie um ihre Pelzmäntel und ihre eleganten, modischen Hüte und Schuhe. Fay trug den Mantel und den Hut, die sie bei ihrer Hochzeit getragen hatte. Den Hut hatte sie neu aufgeputzt und den Mantel gereinigt und gebügelt, bevor sie aus dem Haus ging, aber sie kannte sich mit Kleidern gut genug aus, um den Unterschied in der Qualität zwischen den ihren und denen der Blythe-Frauen zu erkennen. Diesen Herbst hatte sie kein einziges neues Stück bekommen. Sie seufzte. Daniel war in letzter Zeit so geizig, redete ständig über seinen Geldmangel und erwartete von ihr, daß sie knauserte und sparte. Er hatte sich seit ihrer Hochzeit sehr verändert.
    Sie ließ den Blick über die Männer schweifen, die schwarze Mäntel und Zylinder trugen. Fay stieß ihre Nachbarin an.
    Â»Wer ist das?« flüsterte sie.
    Letty Gotobed sagte: »Der dunkelhaarige ist Mr. Nicholas. Sir Nicholas jetzt. Und der arme Mann in dem Rollstuhl ist Miss Marjories Mann.«
    Â»Und der Gentleman dahinter?«
    Letty kniff die Augen zusammen. »Oh, der gehört nicht zur Familie. Das ist Dr. Lawrence. Er wohnt in Ely.«
    Fay sah ihn sich genauer an. Er war groß, hatte rotblondes Haar und eine Hakennase.
    Letty flüsterte: »Er war Sir Williams Arzt nach dem Tod von Dr. Copper. Meine Schwester sagt, er sei Schotte, aus Edinburgh. Ein gutaussehender Mann, nicht?«
    Die Worte des Begräbnisrituals hallten von den hohen Kirchenmauern wider. »Daher übergeben wir diesen Leib der Erde. Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.«
    Fay erschauerte. »Was weiß ich«, sagte sie stolz und ging weg.
    Zwei Tage nach dem Begräbnis legte sich Gwendoline Blythe ins Bett und behauptete, krank zu sein. Nicholas, der nach dem Besuch bei seiner Mutter die Treppe herunterkam, war besorgt.
    Â»Sie war nie krank, Thomasine. Gelegentlich Kopfschmerzen, das war alles.«
    Â»Willst du einen Arzt rufen?« Thomasine schenkte Nicholas Kaffee ein.
    Er schüttelte den Kopf.

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