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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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»Ich hab’s vom Garten aus gesehen. Ein Freudenfeuer, was meinst du?«
    Â»Nein. Wer würde um diese Zeit ein Freudenfeuer anzünden, bei dem Wetter?« Wieder sah Thomasine besorgt aus dem Fenster. »Es ist ein Torffeuer, Nick, dessen bin ich mir sicher. Wo …?«
    Sie zog ihre Sandalen an, während sie sprach. Wessen Felder, wessen Land und Ernte wurden von den langsam kriechenden Flammen verschlungen?
    Nicholas folgte ihr, als sie nach unten zum Auto rannte. Das orangefarbene Licht kam von einer Seite des Dorfes. Als sie aus der Einfahrt und den Hügel der Insel hinunterfuhren, waren Thomasines Hände zu Fäusten geballt und ihr Blick ständig auf den entsetzlichen Feuerschein gerichtet. Ein Torffeuer, das von einem Stück zerbrochenem Glas oder einer achtlos weggeworfenen Zigarettenkippe ausgelöst wurde, konnte in einer einzigen Nacht das gesamte Einkommen vernichten. Nicholas steuerte den Delage durchs Dorf und auf den Weg hinaus, der zum Zufluß der Lark führte.
    Die Luft wurde dicker, roch beißend. Graue, schwarze und blutrote Strohfetzen schwebten darin. Doch als sie das Ende des Wegs erreichten, sah Thomasine, daß die Felder der Blythes von den Flammen unberührt waren. Verkohlte Strohfetzen lagen wie feine, schwarze Spitzenstreifen auf dem blaßgoldenen Weizen, aber die Halme standen immer noch stolz aufgerichtet, die dicken Ähren waren unversehrt. Die Flammen hatten das benachbarte Feld vernichtet, ein dichter Schleier grauer Asche lag über der Ernte.
    Â»Daniel Gillorys Land«, sagte Nicholas plötzlich leise.
    Thomasine kniete sich auf den Sitz. Sie sah den langen Wall des Deichs, der das Wasser einschloß, und davor die dunklen Silhouetten der Männer, die mit Dreschflegeln auf das schwelende Gestrüpp einschlugen.
    Nicholas sagte: »Dann soll’s nur brennen«, und sie sah ihn entsetzt an.
    Â»Nick …« , flüsterte sie, aber er wiederholte: »Dann soll’s nur brennen.« In seinen Augen stand eine Art triumphierender Freude.
    Â»Das ist gefühllos und grausam«, erwiderte Thomasine schneidend.
    Jetzt lächelte er. Seine Augen waren dunkel und glasig, und in diesem Moment haßte sie ihn. Daß er Eifersucht und Mißgunst solche Formen annehmen ließ und damit den geringsten Anstand verlor, daß er den lächerlichen Tragödien der Kindheit gestattete, so lange in sich zu gären, war unerträglich.
    Sie schaffte es nicht, ihn länger anzusehen. Schnell wandte sie sich ab und sah Daniel, der allein auf einer Seite des Kreises der arbeitenden Männer stand. In dem fahlen Mondlicht und dem unnatürlichen Schein der ersterbenden Flammen wirkte sein Gesicht weiß und unheimlich. Sein ganzer Körper drückte Niederlage und Erschöpfung aus. Thomasine sah kein Anzeichen von Mrs. Gillory. Vor Daniel lag das Feld mit dem großen schwarzen Krater, aus dessen verkohlter Oberfläche noch immer kleine Rauchschwaden aufstiegen.
    Bevor Nicholas sie zurückhalten konnte, sprang sie aus dem Wagen und lief über das verbrannte Korn auf die einsame, geschlagene Gestalt zu. Das schwarze Stroh brannte heiß unter ihren dünnen Sohlen. Während sie auf ihn zulief, rief sie seinen Namen.
    Â»Daniel! Es tut mir so leid. Was für ein schreckliches Unglück.«
    Langsam wandte er ihr das Gesicht zu. Um seine Lippen stand ein bitterer Zug, und er sah sie mit kalter Verachtung an.
    Â»Das ist widerrechtlich«, sagte er. »Sie betreten unerlaubterweise mein Land.«
    Sie schnappte nach Luft. Dann schrie sie auf, trat einen Schritt auf ihn zu und packte ihn am Ärmel. Aber alles an ihm drückte starre, unnachgiebige Feindschaft aus, und die Ablehnung in seinen Augen traf sie mit fast physischer Gewalt. Ihre Hand glitt ab, und während sie zum Wagen zurücktaumelte, hielt sie sich unsinnigerweise auf der blythe’schen Seite des Weges.
    Zurück in Drakesden Abbey, folgte ihr Nicholas in ihr Schlafzimmer. Kein Wort war zwischen ihnen gefallen, seit sie Daniel Gillorys zerstörtes Feld verlassen hatten. Seine Hände machten sich an den Knöpfen ihrer Jacke und ihres Kleids zu schaffen und zogen an den schmalen Schleifen ihrer Hemdhose. Am liebsten hätte sie sich gewehrt, ihn weggestoßen. Er riß sich die Krawatte vom Hals und zog die Hosenträger von den Schultern.
    Â»Du solltest nicht mit ihm reden«, war alles, was er herausbrachte, als er sie

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