Die geheimen Jahre
»Ich habâs vom Garten aus gesehen. Ein Freudenfeuer, was meinst du?«
»Nein. Wer würde um diese Zeit ein Freudenfeuer anzünden, bei dem Wetter?« Wieder sah Thomasine besorgt aus dem Fenster. »Es ist ein Torffeuer, Nick, dessen bin ich mir sicher. Wo �«
Sie zog ihre Sandalen an, während sie sprach. Wessen Felder, wessen Land und Ernte wurden von den langsam kriechenden Flammen verschlungen?
Nicholas folgte ihr, als sie nach unten zum Auto rannte. Das orangefarbene Licht kam von einer Seite des Dorfes. Als sie aus der Einfahrt und den Hügel der Insel hinunterfuhren, waren Thomasines Hände zu Fäusten geballt und ihr Blick ständig auf den entsetzlichen Feuerschein gerichtet. Ein Torffeuer, das von einem Stück zerbrochenem Glas oder einer achtlos weggeworfenen Zigarettenkippe ausgelöst wurde, konnte in einer einzigen Nacht das gesamte Einkommen vernichten. Nicholas steuerte den Delage durchs Dorf und auf den Weg hinaus, der zum Zufluà der Lark führte.
Die Luft wurde dicker, roch beiÃend. Graue, schwarze und blutrote Strohfetzen schwebten darin. Doch als sie das Ende des Wegs erreichten, sah Thomasine, daà die Felder der Blythes von den Flammen unberührt waren. Verkohlte Strohfetzen lagen wie feine, schwarze Spitzenstreifen auf dem blaÃgoldenen Weizen, aber die Halme standen immer noch stolz aufgerichtet, die dicken Ãhren waren unversehrt. Die Flammen hatten das benachbarte Feld vernichtet, ein dichter Schleier grauer Asche lag über der Ernte.
»Daniel Gillorys Land«, sagte Nicholas plötzlich leise.
Thomasine kniete sich auf den Sitz. Sie sah den langen Wall des Deichs, der das Wasser einschloÃ, und davor die dunklen Silhouetten der Männer, die mit Dreschflegeln auf das schwelende Gestrüpp einschlugen.
Nicholas sagte: »Dann sollâs nur brennen«, und sie sah ihn entsetzt an.
»Nick â¦Â« , flüsterte sie, aber er wiederholte: »Dann sollâs nur brennen.« In seinen Augen stand eine Art triumphierender Freude.
»Das ist gefühllos und grausam«, erwiderte Thomasine schneidend.
Jetzt lächelte er. Seine Augen waren dunkel und glasig, und in diesem Moment haÃte sie ihn. Daà er Eifersucht und MiÃgunst solche Formen annehmen lieà und damit den geringsten Anstand verlor, daà er den lächerlichen Tragödien der Kindheit gestattete, so lange in sich zu gären, war unerträglich.
Sie schaffte es nicht, ihn länger anzusehen. Schnell wandte sie sich ab und sah Daniel, der allein auf einer Seite des Kreises der arbeitenden Männer stand. In dem fahlen Mondlicht und dem unnatürlichen Schein der ersterbenden Flammen wirkte sein Gesicht weià und unheimlich. Sein ganzer Körper drückte Niederlage und Erschöpfung aus. Thomasine sah kein Anzeichen von Mrs. Gillory. Vor Daniel lag das Feld mit dem groÃen schwarzen Krater, aus dessen verkohlter Oberfläche noch immer kleine Rauchschwaden aufstiegen.
Bevor Nicholas sie zurückhalten konnte, sprang sie aus dem Wagen und lief über das verbrannte Korn auf die einsame, geschlagene Gestalt zu. Das schwarze Stroh brannte heià unter ihren dünnen Sohlen. Während sie auf ihn zulief, rief sie seinen Namen.
»Daniel! Es tut mir so leid. Was für ein schreckliches Unglück.«
Langsam wandte er ihr das Gesicht zu. Um seine Lippen stand ein bitterer Zug, und er sah sie mit kalter Verachtung an.
»Das ist widerrechtlich«, sagte er. »Sie betreten unerlaubterweise mein Land.«
Sie schnappte nach Luft. Dann schrie sie auf, trat einen Schritt auf ihn zu und packte ihn am Ãrmel. Aber alles an ihm drückte starre, unnachgiebige Feindschaft aus, und die Ablehnung in seinen Augen traf sie mit fast physischer Gewalt. Ihre Hand glitt ab, und während sie zum Wagen zurücktaumelte, hielt sie sich unsinnigerweise auf der blytheâschen Seite des Weges.
Zurück in Drakesden Abbey, folgte ihr Nicholas in ihr Schlafzimmer. Kein Wort war zwischen ihnen gefallen, seit sie Daniel Gillorys zerstörtes Feld verlassen hatten. Seine Hände machten sich an den Knöpfen ihrer Jacke und ihres Kleids zu schaffen und zogen an den schmalen Schleifen ihrer Hemdhose. Am liebsten hätte sie sich gewehrt, ihn weggestoÃen. Er rià sich die Krawatte vom Hals und zog die Hosenträger von den Schultern.
»Du solltest nicht mit ihm reden«, war alles, was er herausbrachte, als er sie
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