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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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dieser schrecklichen Lüge angestiftet, weil er ihn haßte. Dann packte Daniel eine Tasse und einen Teller und schleuderte sie so heftig an die Wand, daß sie in tausend Stücke zerbrachen. Danach holte er die Whiskyflasche aus dem Schrank.
    Während er trank, dachte er nach. Irgendwie konnte er sich nicht recht vorstellen, warum Nicholas Blythe eine solche Lüge erfinden sollte. Er dachte an Fay. An die Veränderungen, die er im Laufe der letzten Monate an ihr festgestellt hatte, ihre Fiebrigkeit, ihre Unruhe. Nachts wandte sie sich ihm jetzt oft zu, aber ihre Umarmungen kamen ihm immer liebloser und verzweifelter vor.
    Doktor Lawrence. Je mehr er darüber nachdachte, um so plausibler erschien es ihm. Sie hatte ihn ja damals beim Schlittschuhlaufen auf der Lark kennengelernt. Er dachte an Fays häufige Ausflüge nach Ely, an die neuen Kleider, Hüte und Lippenstifte, die sie gekauft hatte. Er erinnerte sich auch an sein erstes Treffen mit ihr. Sie hatte ihr Taschentuch fallen lassen – zufällig, hatte er damals gedacht. Ein alter Trick, wie er inzwischen vermutete. Es war, als hätte sich ein Spiegel getrübt und er sähe jetzt alles in dunkleren Farben. Daniel begann, jede Stunde zu bezweifeln, die er mit ihr verbracht hatte, angefangen von ihrer ersten Begegnung bis zu den inzwischen schweigsamen Tagen und den hektischen, verzweifelten Vereinigungen bei Nacht. Die Gedanken waren eine Qual, er trank ständig weiter und sehnte sich danach zu vergessen, bis er draußen Schritte hörte.
    Fay machte die Tür auf. Sie starrte auf das zerbrochene Porzellan.
    Â»Was hast du getan? Das war eine meiner besten Tassen …«
    Sie schickte sich an, den Raum zu durchqueren, aber er packte sie und hielt sie fest. »Wo bist du gewesen, Fay?« flüsterte er. »Wo bist du gewesen?«
    Â»Im Laden natürlich …«
    Â»Lüg mich nicht an! Du bist bei ihm gewesen, nicht wahr?«
    Der verblüffte, beleidigte Ausdruck auf ihrem Gesicht veränderte sich, wurde ablehnend, als wollte sie etwas verhehlen. »Ich weiß nicht, wovon du redest, Daniel.«
    Â»Ach, das weißt du nicht!« brüllte er. »Ich rede von Dr. Lawrence, Fay.«
    Â»Laß mich los«, erwiderte sie schroff. »Ich war im Laden. Schau her.« Sie zeigte ihm den Korb.
    Daniel ließ ihre Hand los, er starrte in den Weidenkorb und sah eine Suppendose und einen Laib Brot. Er wollte ihr so gern glauben, schaffte es aber nicht.
    Â»Fay, sag mir die Wahrheit. Ihr seid zusammen gesehen worden. Jemand hat euch gesehen.«
    Tiefe Röte breitete sich auf ihrer blassen Haut aus. »Wer hat dir das gesagt?«
    Â»Das spielt keine Rolle. Sag mir die Wahrheit, Fay.«
    Sie ging von ihm weg. Mit dem Rücken zu ihm kauerte sie sich auf den Boden und begann, die Scherben aufzusammeln. »Da erzählt dir jemand Lügen, Daniel. Eines der alten Klatschweiber aus dem Dorf, schätze ich. Sie hassen mich alle.«
    Â»Ich bring ihn um, Fay. Wenn es stimmt, bring ich ihn um.«
    Er beobachtete, wie sie die blauen Porzellanscherben vorsichtig auf die Kommode legte. Ihre Hände waren klein und zerbrechlich. Ihm wurde schlecht bei der Vorstellung, daß diese Hände den Körper eines anderen Mannes berührten. Dann stand sie auf und räumte den Inhalt ihres Einkaufskorbs weg. Ihr Gesicht war ruhig, ihre Bewegungen gelassen und sicher.
    Er schrie: »Hör auf damit! Ich möchte die Wahrheit wissen!«
    Fay schloß die Schranktür. »Schrei mich nicht so an, Daniel Gillory. Du hast kein Recht, so mit mir umzugehen.«
    Â»Ich habe jedes Recht dazu – ich bin dein Mann – »
    Â»Ja.« Sie sah ihn spöttisch an. »Und ich war eine Närrin, dir zu erlauben, das je zu werden.«
    Er riß sie an sich. »Dann stimmt es also …«
    Sie versuchte, sich von ihm loszureißen. »Nein. Nein. Nein  …«
    Er haßte sie. Er haßte jeden Zug an ihr, ihr ganzes gekünsteltes Getue. Er packte sie an den Schultern und drückte sie gegen die Wand. Er wollte ihr weh tun, die Wahrheit aus ihr herauspressen, den Panzer aus Eigensucht und Eitelkeit durchstoßen, ihr klarmachen, wie sehr sie ihn verletzt hatte. Er hob die Hand, und Fay schrie auf. Er sah die Angst in ihrem Gesicht und ließ sie, entsetzt über sich selbst, wieder sinken. Fay rannte in den Hof hinaus. Schwankend ging Daniel zur Tür und starrte auf die

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