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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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fiel von ihr ab. Die Dinge ließen sich ändern. Die Dinge, die vor Jahren schiefgelaufen waren, als ihre Mutter sie beim Küssen mit Daniel Gillory erwischt hatte. Dieser Kuß hatte noch immer keine Erfüllung gefunden, aber die Erinnerung daran war mächtig und verlockend. Er mußte zu seinem Ende gebracht werden.
    Sie stellte die Tasse ab. Er stand am Abwaschbecken. Sie berührte seinen Arm und spürte die Wärme seiner Haut.
    Â»Was wollen Sie?« Seine Stimme klang trocken und heiser.
    Â»Was glaubst du wohl? Ich möchte dich, Daniel.« Sie sagte die Wahrheit. Nie hatte sie einen Mann so sehr begehrt, dachte sie. Es war, als hätte sie den Faden wiederaufgenommen, den sie in ihrer Kindheit zu spinnen begonnen hatte, und der jetzt, im Erwachsenenalter, soviel leuchtender, soviel fester geworden war.
    Er flüsterte: »Geh heim, Lally, geh heim.«
    Sie glaubte nicht, daß er meinte, was er sagte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, und ihre Lippen liebkosten seine Wangen, seinen Mund. Mit geschlossen Augen vergrub sie das Gesicht an seinem Hals, und seine Haut schmeckte warm und salzig.
    Er riß sich los von ihr, und sie blieb kalt und mit leeren Händen zurück.
    Â»Geh.«
    Sie war vollkommen überrascht. Nie hätte sie gedacht, daß er sie zurückweisen könnte. Sie war noch nie zurückgewiesen worden.
    Â»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie. »Ich werde niemandem etwas sagen.«
    Â»Was möchtest du wirklich , Lally? Oder ist das deine Art, den Armen zu helfen … Mami teilt Lebensmittelkörbe aus, und du bist freigebig mit deiner Gunst …«
    Â»Mach dich nicht lächerlich, Daniel. Ich langweile mich in diesem gottverlassenen Nest, das ist alles. Ist dir etwa nicht langweilig?«
    Fast mußte er lächeln. »Nicht wirklich. Nein, ich könnte nicht sagen, daß Langeweile mein größtes Problem wäre.«
    Sie trat wieder auf ihn zu, legte die Hände auf seine Brust und sah zu ihm auf. Er gab ihr das Gefühl, sicher, beschützt zu sein. Sie wußte, daß er sie wollte: Sie hörte sein schnell pochendes Herz und spürte die Härte seines Leibes. Sie begann, ihn zu streicheln.
    Doch seine Stimme war kalt. »Ich bin verheiratet, Lally.«
    Zum erstenmal spürte sie Ärger in sich aufsteigen. »Ach, sei doch nicht so kleinbürgerlich, Daniel.«
    Er packte ihre Handgelenke und stieß sie fort. »Geh weg, Lally – du gehörst nicht hierher. Erniedrige dich nicht.«
    Sie rief: »Aber du kannst mich nicht wegstoßen! Wir sind doch Freunde, Daniel? Wir waren doch immer Freunde?«
    Sie konnte nicht glauben, was sie in seinen Augen sah. Ungeduld, Zorn und Desinteresse. Das Desinteresse war das Schlimmste.
    Â»Freunde? Nein. Niemals.«
    Â»Aber als Kinder waren wir’s doch! Erinnerst du dich nicht mehr?«
    Er schüttelte den Kopf. Seine Händen fielen von ihr ab. Er stand an der Tür und wartete, daß sie ging. Von einer Woge des Zorns und einem Gefühl der Verlassenheit ergriffen, steckte sie plötzlich den Daumen in den Mund und saugte einen Moment lang verzweifelt daran. Dann sagte sie: »Ich hab deine Frau letzte Woche gesehen. Sie war mit Dr. Lawrence zusammen.«
    Er sah sie prüfend an. »Fay ist nicht krank.«
    Lally lachte. »Sie sah sehr gesund aus. Sehr glücklich. Sie gingen in die Windmühle am Rand von Potters’ Field.«
    Ihr ganzer Körper drückte Schadenfreude aus, und sie wartete wütend und innerlich triumphierend ab. Die Farbe wich aus seinem Gesicht. Als sie den Ausdruck in seinen Augen sah, bekam sie zum erstenmal Angst.
    Â»Das glaube ich nicht.«
    Sie nahm den letzten Rest ihres Muts zusammen. »Es stimmt. Sie haben sich umarmt. Vielleicht ist sie auch jetzt gerade bei ihm …«
    Außer sich vor Wut sah er sie an und zischte: »Du lügst. Nicholas hat dir gesagt, daß du das sagen sollst …«
    Schreiend antwortete sie: »Ich würde dich nie anlügen, Daniel – du bist doch mein Freund!«
    Er stieß sie aus der Tür, so daß sie mit den Knien im Staub landete. Die Tür knallte zu. Sie rappelte sich hoch und lief im Zickzack übers Kornfeld davon.
    Als sie fort war, stand Daniel eine Weile bewegungslos da und beobachtete seine zitternden Hände. Er rang nach Atem. Sie hatte gelogen, sie mußte gelogen haben. Nicholas hatte seine Schwester zu

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