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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wenn du das weißt.«
    Sie zog ihre Hand weg. Im Moment ertrug sie weder seine Berührung, noch konnte sie sich die Folgen dieser unglaublichen Einmischung vorstellen. Sie wußte nur, daß das heutige Gespräch mit dem Anwalt den dünnen Schorf von ihrem Herzen gerissen und es wund und blutend zurückgelassen hatte. Erneut dachte sie: Wenn ich wieder vor Gericht ginge … Sie stellte sich vor, wie sie im Zeugenstand Nicholas’ Launenhaftigkeit, seine Obsessionen, seine Selbstverstümmelungen beschrieb … Für William, erinnerte sie sich. Für William.
    Â»Du hattest kein Recht dazu. Nicht das geringste«, antwortete sie kühl.
    Auch in seinen Augen blitzte Ärger auf. »Nein? Möchtest du, daß ewig alles beim alten bleibt, Thomasine?«
    Â»Was meinst du damit?«
    Â»Nun – du läßt mich seit Mai am ausgestreckten Arm verhungern. Ich dachte, es sei wegen des Kindes. Diese Ausreden, die du mir aufgetischt hast – du müßtest rund um die Uhr arbeiten, um die Anwälte zu bezahlen. Aber vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht möchtest du gar nichts von mir wissen. Mein Gott – seit Wochen versuche ich, all meinen Mut zusammenzunehmen und dich zu fragen, ob du mich heiraten möchtest. Vielleicht mache ich mir was vor. Vielleicht denkst du, ich sei nicht gut genug für dich.«
    Sie hörte ihm kaum zu. Erneut sah sie sich vor Gericht stehen und Nicholas’ Gesicht beobachten, wenn ausdruckslose Stimmen die Symptome seine Krankheit darlegten und Prognosen abgaben, während im Zuschauerraum seine Freunde, Verwandten und die Presse zuhörten. Es wäre wie eine öffentliche Demütigung. Das konnte sie nicht tun. Das konnte sie einfach nicht.
    Ihre geballte Faust stieß gegen den Tisch, und Tee schwappte auf das makellose Leinentischtuch.
    Â»Ich will dich nicht heiraten, Daniel! Ich will im Moment weder dich noch sonst jemanden heiraten!«
    Eine peinliche Stille trat ein. Ein paar Schritt entfernt hielt die Bedienung mit einem vollbeladenen Tablett inne und starrte sie an. Das Blut wich aus Daniels Gesicht.
    Â»Mein Gott, wie du dich verändert hast. Du bist in letzter Zeit wahrhaft sehr sparsam mit deinen Liebesbezeugungen.«
    Sie antwortete nicht. Tränen brannten in ihren Augen. Sie versuchte, sie wegzublinzeln. Wütend dachte sie, daß er recht hatte: Sie hatte sich bis zur Unkenntlichkeit verändert, von dem unbeschwerten Mädchen, das über die staubigen Wege der Fens geritten war, war nichts mehr übriggeblieben.
    Â»Oder ist es Nicholas?« fragte er plötzlich. »Bist du immer noch in Nicholas verliebt?«
    Â»Ich kann überhaupt nicht lieben«, schrie sie ihn fast an. Inzwischen starrten auch andere Gäste herüber, und die Bedienung stand noch immer mit dem Tablett in der Hand wie angewurzelt da.
    Â»Laß mich einfach in Ruhe, Daniel«, fügte sie schroff hinzu. »Ich möchte einfach in Ruhe gelassen werden.«
    Daniel erhob sich und warf eine Zehn-Shilling-Note auf den Tisch. »Natürlich. Ganz wie du wünschst.«
    Mit großen Schritten verließ er das Café. Sobald er fort war, wollte sie ihn zurückrufen. Ihm erklären, daß sie ihr Kind aufgegeben hatte, erklären, daß sie nur noch ein halber Mensch war, daß sie im Laufe der vergangenen zehn Jahre wahrscheinlich den besten Teil von sich verloren hatte. Ihm erklären, daß wenn sie je einen Mann hätte lieben können, dieser Mann Daniel Gillory gewesen wäre.
    Als er in seine Wohnung zurückkam, sah er an der Eingangstür schnell den Stapel Post durch und fand eine Nachricht von Anthea Millford. »Mein Lieber«, hieß es darin, »ich muß zu einer schrecklichen Party gehen und habe keinen Begleiter. Ich wäre auf ewig in Ihrer Schuld, wenn Sie mir aushelfen könnten.«
    Die Wohnung wirkte sehr leer, sehr still. Daniel sah auf seinem Kalender nach. Dann stopfte er die Nachricht in die Tasche, ließ die Tür hinter sich zufallen und ging zur Telefonzelle an der Straßenecke.
    Im Laufe des Nachmittags riß die Wolkendecke auf, so daß Haus und Gärten in winterlich blasses Sonnenlicht getaucht waren. Nicholas ging zur Wiese hinunter und durchs Wäldchen, den Obstgarten und das Labyrinth zurück. In dem ummauerten Garten starrte er auf die Statuen in den Nischen: Leda, Daphne und der Feuerdrache. Er ist in Vaters Arbeitszimmer ,

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