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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Einsamkeit.
    Mit angezogenen Knien auf dem Bett sitzend, begann sie zu verstehen, wie schwer Daniel sein Antrag gefallen sein mußte. Welche Überwindung es ihn gekostet haben mußte, sich nach dem unheilvollen Scheitern seiner Ehe erneut auf eine Bindung einzulassen. Wenn er sich in ihre Angelegenheiten eingemischt hatte, obwohl sie das nicht wünschte, dann war dies nur aus Sorge um sie geschehen, wie sie jetzt einsah.
    Thomasine schlug die Decke um sich und versuchte, sich warm zu halten. Sie war so entsetzlich müde. Es war erst neun, aber die Versuchung, sich hinzulegen und zu schlafen, war überwältigend. Als ihr Kopf aufs Kissen sank, fragte sie sich, ob sie Daniel Gillory heiraten konnte. Wenn es keine Hoffnung mehr gab, William zurückzubekommen, würde dies das Verhältnis zwischen ihr und Daniel ändern? Wäre sie dann frei, eine neue Ehe einzugehen?
    Vermutlich ja. Die Vorstellung, wieder zu heiraten, war ihr unangenehm, aber vielleicht würde sich das eines Tages ändern. Als ihre Gedanken wirr und zusammenhangslos wurden und sie langsam in Schlaf fiel, dachte Thomasine, daß sie sich mit der Zeit vielleicht daran gewöhnen würde, endlich einen Mann gefunden zu haben, dem sie vertrauen konnte.
    Schließlich sprach er Lally an. Das war notwendig, fand er, denn es gab zu viele ungeklärte Dinge zwischen ihnen.
    Er hatte sich einen neuen Drink geholt. Scotch diesmal, nicht den schrecklich süßen Champagner. Als er sich von der Bar wegdrehte, stand sie hinter ihm. Sie trug ein sehr schlichtes, sehr kurzes Kleid aus dünnem Stoff, ihr Haar war jungenhaft kurz geschnitten, auf einer Seite gescheitelt, ihr voller Mund war dunkelrot geschminkt, und ihre Augen wirkten sehr dunkel und glänzend.
    Â»Daniel«, sagte sie. »Wie schön, dich wiederzusehen.«
    Â»Lally.« Er sah an ihr vorbei zur Bar. »Champagner? Nein, stimmt’s? Möchtest du …?
    Kein Anflug von Scham zeigte sich auf ihrem elfenhaften Gesicht, obwohl er davon überzeugt war, daß auch sie kein Wort der verhängnisvollen Unterhaltung von vor drei Jahren vergessen hatte.
    Â»Ich nehme einen Scotch«, antwortete sie. »Wie du.«
    Daniel machte dem Barmann ein Zeichen. Er fragte sich, ob ihn Lally, genau wie Anthea Millford, für unwichtig, für ein flüchtiges Abenteuer hielt, um die Langeweile zu vertreiben. Der Whisky besänftigte seinen Zorn nicht, sondern stachelte ihn eher noch an.
    Er reichte Lally ihr Glas. Sie hustete. »Eine kleine Erkältung«, erklärte sie. Als sie zu husten aufhörte, sagte Daniel: »Ich hab vor ein paar Monaten einen deiner Freunde getroffen, Simon Melville.«
    Â»Oh – Simon«, antwortete sie. »Ich hab ihn in letzter Zeit nicht oft zu Gesicht bekommen. Er ist inzwischen ins Ausland gegangen.«
    Â»Und gestern habe ich deinen Bruder getroffen.«
    Ihre schrägen Augen wurden ein wenig schmaler. »Nicky?« fragte sie vorsichtig. »Wie geht’s ihm?«
    Â»Gut. Nun ja, er ist natürlich schlimm verwundet worden. Ich wußte gar nicht, wie übel es dem armen Kerl im Krieg ergangen war.«
    Â»Wir sind eine äußerst taktvolle Familie, Daniel. Von geradezu klösterlicher Verschwiegenheit. In einem gottverlassenen Nest wie Drakesden kann man alles verbergen, nicht wahr?«
    Er bemerkte, daß sie genauso betrunken war wie er selbst. Um sie herum begannen die Leute zu gehen, einige nach Hause, andere in Nachtklubs.
    Â»Ja, das stimmt wahrscheinlich«, antwortete Daniel.
    Einen Moment lang wich sie seinem Blick aus und unterdrückte einen neuerlichen Hustenanfall. Er fand, daß sie anders war als Anthea Millford. Lally Blythe war ein wenig gefährlicher und destruktiver. Ihre Berührung, ihr Kuß, hatten etwas Verdorbenes an sich.
    Â»Alle gehen schon«, sagte sie. »Sollen wir auch gehen, Daniel?«
    Â» Wir? Wohin?«
    Â»Nun – in deine Wohnung, dachte ich. Du hast doch eine, oder? Ich wohne bei meiner Cousine, also geht das nicht.«
    So betrunken war er auch wieder nicht, dachte er. Er schüttelte den Kopf. »Keine gute Idee, Lally. Denk an die Folgen.«
    Sie sah ihn ruhig an. »Ich denke nie an die Folgen.«
    Â»Nein«, antwortete er langsam. »Das tust du nicht. Aber ich, und ich gehe jetzt, wenn es dir nichts ausmacht.«
    Es wurde ihm wohl langsam zur Gewohnheit, dachte er. An diesem Abend hatte er zwei Frauen abgewiesen –

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