Die geheimen Jahre
und den blauen Himmel hinaus. Sie drei â sie, Daniel und Nicholas â waren wie ein Dreigestirn gewesen, das auseinanderstrebte und sich wieder anzog. Lally befand sich immer auÃerhalb davon, hatte nie richtig dazugehört.
»Wahrscheinlich warâs das nicht«, sagte sie zögernd. »Du muÃt dich ⦠einsam gefühlt haben.«
Sie sah auf die kleine Gestalt im Bett hinab. Lally wirkte so zerbrechlich, sowohl äuÃerlich wie ihrem Wesen nach, und dennoch hatte sie solches Unheil angerichtet. Ihr Haà auf Thomasine und ihre übersteigerte Verehrung für Nicholas und Daniel hatten mit der Kindheit nicht aufgehört, sondern weiterbestanden und Thomasines, Fays, Daniels und Nicholasâ Leben zerstört. Lallys Zerstörungswut richtete sich aber nicht nur gegen andere, sondern auch gegen sich selbst: Die wilden Partys, die vielen Liebhaber, die rastlose Gier nach immer neuen und gröÃeren Vergnügungen hatten immer auch ihre Schattenseiten gehabt. Lally hatte nach der Liebe gesucht, die ihr in ihrer Kindheit verweigert worden war, aber zu dieser Suche hatte sich fatalerweise schon früh der Drang nach Zerstörung gesellt.
»Ich wollte, daà Nicky dich haÃt. Ich dachte, das würde er, wenn er dich für eine Diebin halten müÃte. Aber er hat Daniel die Schuld gegeben. Und Mama hat mich ins Internat geschickt, was schrecklich war. Ich hätte nicht dorthin gehen müssen, wenn du nicht gewesen wärst. AuÃerdem war es einfach zu schwierig, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Gerald ist gefallen, Nicky ging zum Militär, und nach dem Krieg hatte er sich verändert. Eigentlich wollte ich ihm eines Tages die Wahrheit sagen, wenn es keine Rolle mehr gespielt hätte, aber irgendwie schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein. Und als er dich dann geheiratet hat ⦠und mich nicht mehr wollte ⦠da war ich so wütend. Ich dachte, genau das sei immer deine Absicht gewesen. Genau das hättest du damals in diesem Sommer geplant.«
»Aber wir waren doch Kinder! « stieà Thomasine leise hervor wie eine Klage um eine Zeit, die jetzt vorbei war.
»Dennoch war es wichtig«, sagte Lally verträumt. »Nur weil man ein Kind ist, heiÃt das ja noch lange nicht, daà es nicht zählt. Man hat doch auch seine Gefühle.«
Jetzt verstand Thomasine, daà Lallys Empfindungen für Daniel nicht einfach abgestellt werden konnten. Auf ihre Weise hatte Lally Daniel geliebt. Und wenn diese Liebe aussichtslos war, dann bestand genau darin Lallys Tragödie.
»HaÃt du mich immer noch?«
Lally sah auf die fernen Felder und Bäume hinaus. »Ich glaube nicht«, sagte sie schlieÃlich. »Im Moment fühle ich überhaupt nicht mehr viel. Abgesehen von dieser scheuÃlichen Krankheit natürlich. Als es mir sehr schlechtging, hatte ich Angst, weil ich dachte, ich würde sterben. Aber jetzt ist mir nur langweilig.« Sie sah zu Thomasine auf. »Sie sagen, ich müÃte vielleicht noch ein Jahr hierbleiben. Ich weià nicht, wie ich das aushalten soll.«
Die Augen fielen ihr zu. Die Schwester legte ihr Strickzeug weg und tippte auf ihre Uhr. »Zeit zu gehen, Miss Thorne.« Sie lächelte Lally an. »Wir wollen uns doch nicht überanstrengen, nicht wahr, meine Liebe?«
»Alte Trantüte«, murmelte Lally. Aber ihre Wangen waren rot und fiebrig, und ihr kurzes dunkles Haar klebte in feuchten Strähnen an der Stirn.
Thomasine nahm ihre Tasche und ihre Handschuhe. Lally packte sie am Ãrmel, als sie sich abwandte. »Jetzt spielt es keine Rolle mehr, nicht wahr, Thomasine?«
Sie wuÃte, daà sie die Wahrheit sagte, als sie antwortete: »Nein, jetzt nicht mehr, Lally.«
Weil sie so spät vom Sanatorium zurückkehrte, holte sie William erst am nächsten Morgen von den Dockerills ab. Er lief ihr entgegen, als sie auf dem Weg neben dem Haus auftauchte. Sie schlang die Arme um ihn.
»Mami! Mami! Ich bin auf Nelson geritten, und Mr. Dockerill hat ein paar kleine Enten für uns, und Rosie ist ein solches Baby  â¦Â«
William wurde gedrückt und geküÃt. Annie Dockerill rief aus der Küche: »Er war so ein lieber Junge. Sie trinken doch eine Tasse Tee, Thomasine?«
Sie nahm dankbar an. Mit William auf dem Schoà setzte sie sich an den Küchentisch und sah zu, wie die kleine Rosie Dockerill mit einer Schüssel voller leerer
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