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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hatten, eingestürzt war, als ein Granatwerfer darauf landete und sein rechtes Bein zertrümmerte. Er ging nicht in die Details, weil man Frauen derlei nicht erzählte. Vor allem jungen, hübschen Frauen wie Fay nicht.
    Â»Es muß entsetzlich gewesen sein«, sagte sie teilnahmsvoll. »Und die Männer, die unter Ihrem Kommando standen – was ist mit denen passiert?«
    Â»Die anderen Offiziere wurden alle getötet. Aber einige der Männer im Graben überlebten.«
    Ihr Mund war ein rotes, rundes O, ihre Augen waren weit aufgerissen. »Wie entsetzlich«, sagte sie erneut.
    Die Bedienung erschien, und Daniel bestellte Tee und Kuchen. Es war erstaunlich leicht, dachte er, mit Fay über Dinge zu sprechen, über die er früher nicht reden zu können glaubte, nicht einmal mit Hattie.
    Â»Sie müssen furchtbar mutig sein«, sagte sie.
    Er schüttelte den Kopf. Ȇberhaupt nicht. In gewisser Hinsicht war es damals einfacher – man hatte keine andere Wahl, als mutig zu sein. Man befolgte Befehle und gab Befehle. Jetzt ist es so schwer – sich in alles hier wiedereinzufinden.«
    Er sah sich in dem Teesalon um. Der Lärm, die Menge, der überladene Raum – all das hätte er normalerweise bedrückend gefunden. Aber mit Fay als Gegenüber machte es ihm nichts aus.
    Â»Was machen Sie, Captain Gillory? Ich meine – Sie haben die Armee doch verlassen, oder? Was machen Sie jetzt?«
    Er lachte. »Nicht viel, fürchte ich. Ein bißchen Schreibund Buchhaltungsarbeit, die Art von Dingen. Ich suche Arbeit, aber ich weiß nicht … Wie es aussieht, schaffe ich es nicht, in London wieder Fuß zu fassen.«
    Die Bedienung kam mit dem Tee und dem Kuchen. Der Milchkrug war nur zur Hälfte gefüllt, die Kuchen klein und ohne Verzierung. Selbst das Essen, dachte Daniel mit grimmigem Humor, hatte sich noch nicht vom Krieg erholt. Er beobachtete Fay, wie sie die Milch eingoß und den Tee umrührte. Die anmutige Art, mit der sie diese einfachen Handlungen verrichtete, beruhigte ihn.
    Â»Vielleicht gehe ich nach Hause zurück«, sagte er zu seiner eigenen Überraschung. »Meine Familie hatte ein kleines Anwesen. Es gehört jetzt mir.«
    Sie schenkte den Tee ein. »Ein kleines Anwesen?«
    Â»Eine kleine Farm. Nichts Besonderes. Aber es gehört ein Cottage dazu.«
    Er beschrieb ihr Drakesden. Die Felder, die Deiche, das Vieh und die weiten, herrlichen Wolkenlandschaften. Erst als er Fay davon erzählte, wurde ihm klar, wie sehr er sich sehnte, dorthin zurückzukehren.
    Â»Das klingt alles wundervoll«, sagte sie. »Was für ein Glück Sie haben, von einem solchen Ort zu kommen.«
    Beschämt stellte er fest, daß sie nichts gegessen und er ständig nur von sich gesprochen hatte. Er bot ihr den Kuchenteller an, und sie wählte ein Eclair. »Stammen Sie aus London, Miss Belman?«
    Betrübt verzog sie das Gesicht. »Ich bin kaum je woanders gewesen. Einmal war ich in Margate, einen Tag lang. Das hat Spaß gemacht.« Sie nahm einen Bissen von ihrem Eclair.
    Daniel erschien es ganz natürlich zu erwidern: »Wir könnten zu einem Picknick rausfahren, wenn Sie wollen. Am Sonntag.«
    Thomasine fuhr mit dem Zug zu dem Hospital in Sussex, wo Hilda als Krankenschwester arbeitete. Von dort konnten sie aufs Meer sehen – auf den Kanal, dachte Thomasine plötzlich ganz aufgeregt. Es war zehn Jahre her, daß sie den Kanal überquert hatte.
    Â»Ich fahre in einer Woche«, erklärte sie. Sie saßen auf einer Bank nicht weit vom Rand der Klippen entfernt. Obwohl Hochsommer herrschte, war die Seeluft scharf und kalt. »Wir nehmen den Zug von Victoria Station und setzen dann über.«
    Â»Ich hoffe, du wirst nicht seekrank«, sagte Hilda. »Das erste Mal, als ich nach Frankreich fuhr, ging es mir ziemlich schlecht. Ich war so seekrank, daß ich dachte, ich könnte nie mehr nach Hause zurückfahren – und müßte für immer als Pflegerin in dem Feldlazarett bleiben.«
    Thomasine hatte sich bei Hilda eingehängt. »Willst du weiterhin Krankenschwester bleiben, Tante Hilly? Jetzt, nachdem die meisten Männer nach Hause gegangen sind?«
    Das Hospital war ein Genesungsheim. Ein paar frühere Soldaten humpelten noch immer durch den Garten, andere saßen in Rollstühlen oder auf den Bänken.
    Hilda verzog das Gesicht. » Krankenschwester! Meine

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