Die geheimen Jahre
so ein herrlicher Sonnenuntergang.«
»Wenn du etwas zu sagen hast, Lally«, tadelte Lady Blythe, die sich wieder einigermaÃen gefaÃt hatte, »dann sollten es alle hören.«
Aber Lally lächelte nur und verlieà den Raum. Nicholas verwendete noch ein paar Minuten darauf, seine Mutter zu beschwichtigen, dann ging er ebenfalls hinaus.
Als sie mit dem Auto Drakesden verlassen hatten, sagte Nicholas zu Lally: »Warum machst du das, Kleine? Warum ärgerst du sie so?«
»Mama?« Lally lehnte sich in ihren Sitz zurück. Ihr dunkles Haar wehte um den Rand ihres Schulhuts. »Weil sie mich haÃt. Nein â sie haÃt mich nicht. Ich bin ihr egal. Es wäre mir lieber, sie würde mich hassen.« Ihr Tonfall klang gleichmütig, verriet keinerlei Groll.
Nicholas bremste vor einer Kurve und erwiderte bedrückt: »Ihr reibt euch ständig völlig sinnlos aneinander.«
»Sei nicht albern, Nick. Und fahr ein biÃchen langsamer.«
Sie hatte Lippenstift und Puder aus ihrer Tasche genommen und malte sich sorgfältig die Lippen an. Nicholas bremste ab und versuchte, sich auf dem ebeneren Teil der StraÃe zu halten.
»Wie auch immer«, begann Lally wieder und lieà die Puderdose zuschnappen, »ich hatte doch recht, oder? Dich interessiert Drakesden nicht die Bohne, und Mama möchte jeden Zentimeter davon behalten.«
Lallys Ausdrucksweise beunruhigte ihn. Die andere Lally war ihm fast lieber, diejenige, die log und sich vor allem drückte, wozu sie keine Lust hatte. Die Wahrheit sollte nicht so ungeschminkt ausgesprochen werden. Die ganze Welt würde zusammenbrechen, wenn die Menschen anfingen, die Wahrheit zu sagen.
Er fuhr wieder schneller. »Ganz so ist es nicht«, sagte er. »Es ist nur, daà es mir anfangs ja gar nicht zufallen sollte. Es sollte Gerry gehören. Ich brauche eine Weile, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Aber es ist mir nicht egal.«
Lally sah ihn ungeduldig an. »O Nicholas .«
Sie waren an einer Kreuzung angekommen. In einer Richtung führte die StraÃe nach Ely, in der anderen tiefer in die Fens hinein. »Nach Ely?« fragte Nicholas.
Lally schüttelte den Kopf. »Nein. In der anderen Richtung gibt es einen Pub. Ich möchte einen Drink.«
Er versuchte erst gar nicht, Einwände dagegen zu erheben, daà sie als junge Dame in einen Pub gehen wollte. Er kannte Lally inzwischen gut genug, um zu wissen, daà er damit bei ihr keinen Erfolg haben würde. Statt dessen drehte er um und fuhr weiter, vor dem berückenden Sonnenuntergang davon. Die StraÃe war nicht mehr als ein zerfurchter Feldweg. Nicholas fuhr den Daimler gut, er kannte seine Eigenheiten und wuÃte, was in ihm steckte.
»Gleich hier«, sagte Lally schlieÃlich.
Es war kaum als Dorf zu bezeichnen, das gleiche galt für den Pub. Ein paar Cottage-Bewohner sahen aus ihren Gärten auf, als der Wagen um die Ecke bog und dichte Staubwolken aufwirbelte. Hühner gackerten und schafften es mit knapper Not, den Rädern zu entkommen. Zerlumpte Kinder liefen auf sie zu, als Nicholas die Geschwindigkeit drosselte. Er warf einen skeptischen Blick auf den Pub. Das Dorf befand sich in der Nähe des Hundred Foot Drain, eines Entwässerungskanals. Zwischen dem Kanal und dem eine halbe Meile entfernten Old Bedford River lag der Hundred Foot Wash, eine weite Ebene, die jeden Winter überflutet wurde, um das umgebende Land vor den Wassermassen zu schützen.
Der Pub trug den Namen The Three Mariners. Im Innern gab es einen groÃen Kamin, aus dem ein riesiges Eichenscheit herausragte, und ein paar verstreut herumstehende Hocker und Bänke. Nicholas bestellte Bier für sich und Lally (er glaubte nicht, daà hier Cocktails serviert wurden) und versuchte, die neugierigen Blicke der Einheimischen zu ignorieren. Lally trank ihr Bier und sah sich gelassen um. Sie war die einzige Frau im Pub.
»Wir müssen fort«, sagte Lally nachdenklich. »Es hat einfach keinen Sinn.«
Nicholas setzte seinen Hut auf und erhob sich, aber Lally schüttelte den Kopf.
»Nicht von hier , du Dummkopf â ich hab doch noch gar nicht ausgetrunken. Ich meine, fort aus Drakesden.« Sie nahm einen weiteren groÃen Schluck. »Es ist schrecklich. Nicht so schlimm wie Lady Maryâs, aber nicht viel besser. Na komm, Nicky â gibâs doch zu. Du haÃt es auch.«
»Es ist so still.« Nicholas hatte
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