Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Pensionierung in gleicher Weise nach Bath gezogen und hatten ihre beiden unverheirateten Töchter mitgenommen. Sowohl meine Mutter als auch ihre Schwester hatten dort tatsächlich Ehemänner ergattert. 3
Zweifellos meinten meine Eltern, Cassandra und mir einen Gefallen zu erweisen, indem sie uns nach Bath brachten und in den Assembly Rooms und im Pump Room einer endlosen Reihe von ledigen Herren vorführten. Sie hofften wohl, dass das, was in der einen Generation erfolgreich war, auch für die nächste Gültigkeit haben würde. Sollte dies jedoch ihr Ziel gewesen sein, so hätten sie nicht schlimmer enttäuscht werden können. Denn die nächsten vier Jahre brachten für keine von uns beiden die Aussicht auf eine passende Heirat.
Über die äußerst unangenehmen Umstände unseres Abschieds von Steventon und meine schmerzlichen Gefühle im Zusammenhang mit dem Verkauf – oder sollte ich sagen dem Verschenken – der fünfhundert Bände umfassenden Bibliothek meines Vaters sowie meiner eigenen, so sehrgeliebten Bücher, des Klaviers, auf dem ich spielen gelernt hatte, meiner großen Notensammlung und all der Möbelstücke und Familienbildnisse, die mir so lieb und teuer geworden waren – über all das will ich kein Sterbenswörtchen verlieren. Von den Jahren, die wir im Exil verbrachten (und von denen ich anderenorts berichtet habe 4 ), möchte ich nur sagen, dass ich trotz meiner Abneigung gegen Bath dort verschiedene interessante Abenteuer erleben durfte, denkwürdige Bekanntschaften geschlossen und vor allem die tägliche Gesellschaft meines Vaters, meiner Mutter und meiner Schwester sehr genossen habe. Besonderes Vergnügen bereiteten mir unsere Reisen in die Seebäder an der Küste von Devon und Dorset, die mein Vater während jener Zeit gern besuchen wollte.
Was mich zum zweiten, mein Herz zerreißenden Ereignis bringt, das mein Leben und auch das Schicksal meiner Mutter und meiner Schwester unwiderruflich verändert hat: zu dem Tag, an dem mein geliebter Vater starb.
Mit vierundsiebzig Lenzen war George Austen noch sehr rüstig, hatte einen vollen weißen Haarschopf, helle, intelligente Augen, ein liebes, freundliches Lächeln und einen großartigen Humor, der bei allen, die ihn kannten, höchste Bewunderung hervorrief. Obwohl er verschiedentlich unter Fieber und Vergesslichkeit gelitten hatte,hatte er sich doch stets wieder erholt, und er hatte seinen Ruhestand und unsere darauf folgenden Wanderjahre außerordentlich genossen.
Am Samstag, dem 19. Januar 1805, fühlte sich mein Vater erneut unwohl und erlitt einen weiteren Anfall seiner fiebrigen Erkrankung. Am nächsten Morgen hatte er sich soweit erholt, dass er aufstehen und mit Hilfe seines Stocks in unserer Wohnung in Bath, in den Green Park Buildings East, umhergehen konnte. Gegen Abend wurde jedoch das Fieber wieder stärker, und er lag unter heftigem Schüttelfrost und außerordentlich geschwächt zu Bett. Meine Mutter, Cassandra und ich waren sehr beunruhigt über seinen Zustand, wechselten uns die Nacht hindurch in seiner Pflege ab und ließen ihm alles Mögliche zu seiner Behaglichkeit angedeihen.
Die letzten Worte, die er zu mir sprach, werde ich niemals vergessen.
»Jane«, sagte er in jener Nacht, als ich an seinem Bett saß und seine fiebrige Stirn kühlte, »es tut mir leid, so sehr leid.« Seine Stimme war nur noch ein raues Flüstern, sein Atem ging schwer.
»Es muss dir nichts leid tun, Papa«, erwiderte ich, denn ich glaubte, ja, ich beharrte darauf, dass es ihm bald besser gehen würde. Und falls dies nicht der Fall war, dann hoffte ich, dass er sich in seinen letzten Stunden nicht darum sorgte, was aus denen werden würde, die er zurückließ. Denn er musste sich ja darüber im Klaren gewesen sein, dass seine Frau und seine Töchter, wenn er einmal von dieser Erde schied, in der schrecklichsten finanziellen Notlage zurückbleiben würden. Doch dankenswerterweise waren seine Gedanken nicht mit derlei niedrigen Angelegenheiten beschäftigt: Er schien sich desErnstes seiner Lage nicht bewusst zu sein, auch nicht der Aussicht, dass er jeden Augenblick alles verlassen würde, was ihm teuer war, seine über alles geliebte Familie, seine Frau und seine Kinder.
»Es tut mir leid, Jane«, hub er wieder an, »dass ich dir mit deinen Büchern bisher noch nicht mehr Hilfestellung geben konnte.«
»Mit meinen Büchern?«, fragte ich höchst überrascht. Er bezog sich damit auf die drei Manuskripte, die ich vor Jahren geschrieben hatte,
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