Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
verpflichtete sich Tom als Geistlicher bei einem Regiment, das auf die Westindischen Inseln zog, denn man hatte ihm nach der Rückkehr eine gute Pfarrstelle in Aussicht gestellt. Doch ein Jahr, nachdem er in See gestochen war, erkrankte er in Santo Domingo am Gelbfieber und starb. Er hinterließ meiner trauernden Schwester ein Erbe von 1000 Pfund, das, in Regierungspapiere investiert, jährlich 35 Pfund Zinsen einbrachte. Eine winzige Summe, gewiss, aber sie gab ihr doch das Gefühl einer gewissen Bedeutung. Ich dagegen war, was meinen Unterhalt anging, vollkommen von anderen abhängig.
Meine Mutter hatte recht. Unsere Lebensumstände waren desolat. Und wir würden ein jämmerliches Dasein in abgrundtiefer Armut führen müssen, falls uns keine Hilfe zuteil würde.
»Verzweifle nicht, Mutter«, sagte James. »Meine Brüder und ich, wir lassen euch nicht verhungern. Ich selbst verpflichte mich gern, euch 50 Pfund jährlich aus meinem eigenen Einkommen zu geben.«
»So spricht ein Mann von großem Gefühl und ein treuer Sohn«, sagte Henry, stand von seinem Stuhl auf und klopfte James auf die Schulter. »Ich meinerseits gehe die gleiche Verpflichtung ein.«
Ich fand, dass dies ein sehr großzügiges Angebot war. Henry und seine Frau Eliza lebten in London recht behaglich, aber er hatte die Angewohnheit, recht häufig den Beruf zu wechseln, und hatte uns wissen lassen, dass sein Einkommen zu jener Zeit recht unsicher war.
»Oh! Ihr seid beide die Güte in Person!«, rief meine Mutter.
Wir wussten, dass mein jüngster Bruder Charles, ein Fregattenkapitän in der Königlichen Marine, der im Augenblick auf dem Atlantik Patrouillenfahrten machte, nichts für uns würde tun können. Doch mein Bruder Frank, ein Marinekapitän in der Blockade, hatte Henry von Spithead aus geschrieben und 100 Pfund im Jahr angeboten, aber darauf bestanden, dass sein Angebot nicht an die große Glocke gehängt würde. Henry schaffte es in seiner Begeisterung nicht, diese Nachricht vor meiner Mutter geheimzuhalten, die denn auch zu Tränen gerührt war.
»Niemand hatte je so gütige Kinder wie ich!«, rief sie begeistert. »Schreibe Frank und sage ihm, dass ich sein großherziges Angebot zu schätzen weiß, aber nur die Hälfte annehmen kann.«
Von meinem Bruder Edward, der durch eine glückliche Fügung des Schicksals wesentlich wohlhabender war als all meine anderen Brüder zusammen, hatten wir noch nichts gehört. Als er sechzehn Jahre alt war, hatten sich meine Eltern damit einverstanden erklärt, dass ihn ein kinderloser, entfernter Vetter meines Vaters, Thomas Knight II., adoptierte. Von diesem hatte Edward ein Vermögen und drei große, florierende Ländereien geerbt: Steventon Manor und Chawton in Hampshire, sowie Godmersham Park in Kent. Allein in Chawton besaß Edward ein Herrenhaus und ein Dorf mit etwa dreißig Häusern.
»Wir wollen hoffen, dass Edward uns eines seiner Häuser als Wohnung überlässt«, sagte meine Mutter. »Selbst ein kleines Cottage würde uns schon reichen.«
Zu unserer großen Enttäuschung machte Edward, als wir am nächsten Morgen von ihm hörten, keineswegs ein solches Angebot. Stattdessen erklärte er sich bereit, zu unserem Unterhalt jährlich 100 Pfund beizutragen.
»Was hat er sich nur dabei gedacht?«, jammerte meine Mutter und schwenkte verzweifelt Edwards gerade eingetroffenes Schreiben in der Hand, als sie sich zu Cassandra und mir an den Frühstückstisch gesellte. Henry und James waren oben und packten für ihre Abreise. »Ich bin seine Mutter, ihr seid seine Schwestern! Er ist so wohlhabend; sie leben in Godmersham in großem Reichtum und Luxus! Ihm stehen viele Häuser zur Verfügung, da kann er doch sicher auf den Mietzins von einem der Pächter verzichten!«
»Trotz allem ist ein Angebot von 100 Pfund im Jahr sehr großzügig, Mama«, wandte ich ein.
»Längst nicht großzügig genug, meiner Meinung nach.« Meine Mutter nahm sich eine große Scheibe Toast aus dem Ständer und strich ein ordentliches Stück Butter darauf. »Das ist für Edward eine Kleinigkeit. Ich mag nicht glauben, dass er diese Entscheidung von sich aus getroffen hat. Da muss seine Ehefrau ihre Hand im Spiel gehabt haben! Elizabeth will das gesamte Einkommen für sich und die Kinder behalten. Es würde ihr nicht im Traum einfallen, auch nur einen Penny für die arme Mutter und die Schwestern ihres Mannes herauszurücken!«
»Edward kann mit seinem Eigentum verfahren, wie er wünscht«, erinnerte ich sie, während
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