Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
ich ihr eine Schale Schokolade einschenkte. »Elizabeth hat dabei kein Mitspracherecht.«
»Das hat sie sehr wohl!«, rief meine Mutter, biss von ihrem Toast ab und kaute wütend. »
Du
weißt ja nicht, was für einen Einfluss eine Frau auf ihren Mann haben kann, Jane, insbesondere, wenn sie sich so nahe stehen wie
diese beiden
. Edward ist so nachgiebig, so sehr jeglichem Streit abhold, dass er keine Mühe scheuen würde,es Elizabeth recht zu machen, falls sie auch nur den geringsten Einwand erheben würde.«
»Mama, ich bin mir sicher, Elizabeth könnte niemals so gefühllos sein«, sagte Cassandra. »Sie ist so eine liebe und reizende Frau.«
»Eine liebe und reizende Frau mit Allüren«, erwiderte meine Mutter mit gerümpfter Nase, »voller Stolz auf ihre ach so vornehme Erziehung und Bildung, aber ohne viele natürliche Talente und ohne jegliche Achtung für diejenigen, die mit natürlichen Gaben gesegnet sind. O ja, bei den Bridges aus Goodnestone macht man viel aus jedem Krümelchen Talent, aber zu viel ist einfach zu viel.«
Ich konnte mich dieser Einschätzung der Situation nicht anschließen. Edward hatte 1791 die achtzehnjährige Elizabeth Bridges aus Goodnestone Park in Kent geheiratet. Es war eine Liebesheirat gewesen, die mit vielen Kindern gesegnet war. Elizabeth war eine elegante und sehr hübsche Frau, die auf der berühmtesten Höheren-Töchter-Schule Londons erzogen worden war. Dort hatte Französisch, Musik, Tanz und Etikette auf dem Lehrplan gestanden, er hatte aber nur wenige akademische Fächer umfasst. Elizabeth war eine Frau mit Prinzipien, eine liebende Ehefrau und Mutter, die ihren Mann anbetete und uns stets mit großer Zuneigung behandelte. Ich glaube, dass die Gefühle meiner Mutter eher mit ihrem eigenen Unbehagen über den großen Unterschied zu tun hatte, der zwischen ihrem und Elizabeths Wohlstand herrschte, als mit irgendetwas, das Elizabeth je gesagt oder getan hatte.
»Selbst wenn Elizabeth unseren Bruder in dieser Angelegenheit tatsächlich beeinflusst hat, Mama«, sagte ich, »und wir können keineswegs sicher sein, dass demso war, müssen wir immer noch für Edwards Angebot dankbar sein.«
»Du hast recht«, antwortete meine Mutter mit einem Seufzer, als gerade James und Henry ins Zimmer kamen, nachdem sie ihre Koffer vor der Tür abgestellt hatten. Ich machte sie rasch mit dem Inhalt von Edwards Schreiben vertraut, der ihnen beiden ungeheure Freude zu bereiten schien.
Meine Mutter erhob sich und küsste meine Brüder dankbar auf die Wangen. »Ich danke Euch, meine lieben Jungen. Ihr habt uns vor dem Armenhaus bewahrt. Wenn wir große Sparsamkeit walten lassen, dann bin ich sicher, dass wir damit zurechtkommen. Aber wo wir wohnen sollen, das weiß ich gewiss nicht, denn selbst mit 450 Pfund im Jahr können wir uns ein eigenes Haus nicht leisten.«
»Ich bin sicher, dass es dir und den Mädchen sehr gut gehen wird und dass ihr sehr glücklich werdet«, meinte Henry.
»Ja, wir haben darüber gesprochen«, fügte James hinzu, während er aus dem Fenster auf den Verkehr auf der nebligen Straße unten schaute, zweifellos weil er darauf hoffte, recht bald die Kutsche zu erblicken, die er bestellt hatte. »Den Winter könnt ihr in einer bequemen angemieteten Wohnung hier in Bath verbringen und den Rest des Jahres könnt ihr euch reihum bei euren Verwandten auf dem Land aufhalten.«
Cassandra und ich wechselten einen verzweifelten Blick. Am verlegenen Gesichtsausdruck meiner Mutter konnte ich ablesen, dass den beiden anderen unsere peinlichen Lebensumstände ebenso schmerzlich bewusst waren wie mir. Von einem Verwandten zum anderen weitergereicht zu werden! Ohne eigenes Zuhause wären wirvöllig auf die Freundlichkeit meiner Brüder angewiesen, müssten jede Unterbringung annehmen, die sie uns anboten – und uns noch dazu von ihnen die Reise vom einen zum anderen bezahlen lassen.
Nie wieder, fürchtete ich, würden wir unser Leben unser eigen nennen können.
Kapitel 2
Zunächst quartierten wir uns, wie James es vorgeschlagen hatte, in einer kurzzeitig angemieteten Unterkunft in Bath ein und hielten uns dann längere Zeit besuchsweise bei Freunden und Verwandten auf, unter anderem bei James, seiner Frau und seinen Kindern in Steventon, sowie bei Edward, Elizabeth und deren Brut in Godmersham.
Mir bereiteten unsere Besuche in Godmersham immer große Freude. Man konnte nicht umhin, sich dort nach allen Regeln der Kunst verwöhnt zu fühlen. Edward lebte in eleganten,
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