Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
Diesen sonst so gleichmütigen Mann derart von Gefühlen überwältigt zu sehen, rührte mich zutiefst. Aber ehe ich noch meine Gedanken ordnen und sprechen konnte, fuhr er mit großer Bescheidenheit fort.
    »Seit vielen Jahren sehne ich mich danach, meine Empfindungen für Sie zum Ausdruck zu bringen, aber in jenen frühen Tagen war mir völlig bewusst, dass Sie in keiner Weise ähnlich dachten. Nicht nur das, Sie standen – und stehen bis heute – so weit über mir. Ich bin nur ein armer Hilfspfarrer, und Sie sind die Tochter des Pfarrers, und also sagte ich nichts. An jenem Tag, als wir vor nunmehr vier Jahren den Spaziergang über das Moor machten, dachte ich, das Blatt könnte sich zu meinen Gunsten gewendet haben. Doch dann kamen all die traurigen Ereignisse über Ihre liebe Familie. Ich begriff, dass Sie Zeit brauchen würden, bis Ihre Wunden geheilt waren. Und also wartete ich. Als ich gerade Mut fasste, um mich Ihnen mitzuteilen, erfuhr ich zu meiner großen Überraschung,dass Sie nicht nur Miss Brontë waren, die ich kennen und so sehr lieben gelernt hatte, sondern dass Sie tatsächlich auch noch eine berühmte Schriftstellerin sind. Sie trafen sich in London mit allen möglichen Berühmtheiten, die Welt lag Ihnen zu Füßen. Wer bin ich denn, fragte ich mich, dass ich es wagen dürfte, mich Ihnen mit einer solchen Erklärung zu nähern? Wie konnte ich auch nur hoffen, dass Sie sich für jemanden wie mich interessieren könnten?«
    »Mr. Nicholls …«, setzte ich an, doch er hob die Hand, um mich zu unterbrechen.
    »Bitte, ich muss zu Ende sprechen, ehe ich wieder völlig den Mut verliere.« Er schaute kurz ins Feuer, dann erneut zu mir. »Viele Monde lang habe ich vergeblich versucht, mir diesen Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Ich versuchte mir einzureden, ich müsse es eben zufrieden sein, Miss Brontë als Freundin zu haben, nur als Freundin. Ich versuchte es vergebens. Ihr Freund zu sein, das wusste ich, würde mir niemals genügen. Und so habe ich weiter gewartet und Sie beobachtet, jeden Tag, drei lange Jahre lang, habe stumm gehofft und mich danach gesehnt, ein kleines Zeichen von Ihnen zu bekommen – eine winzige Andeutung wahrzunehmen, dass Sie vielleicht meine Gefühle erwidern könnten. Ich merkte, wie die Freundschaft zwischen uns wuchs, und ich dachte: Möglicherweise ist das genug. Ich sagte mir: Du musst dich erklären. Aber dann wurde mir bewusst, wie sehr Sie in Ihr Schreiben vertieft waren. Da ich Ihren Seelenfrieden nicht stören wollte, entschloss ich mich, so lange zu warten, bis Sie Ihr neues Buch vollendet hatten.«
    Nun zitterte er, und in seinen Augen stand solch lebhafte Verzweiflung, so viel Hoffnung und Furcht und Zuneigung, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen hatte. »In diesen letzten Monaten habe ich solche Qualen durchlitten, einensolchen Aufruhr der Gedanken und Gefühle, dass mir die Worte fehlen, dies zu beschreiben. Ich hatte Angst, zu zeigen, was ich empfand, vermochte jedoch kaum den Schmerz zu ertragen, nicht zu wissen, wie Sie fühlen. Ich muss es jetzt sagen: Ich liebe Sie, Miss Brontë. Ich liebe Sie von ganzem Herzen und mit meiner ganzen Seele. Ich kann mir auf dieser Erde keine größere Ehre vorstellen, als dass Sie einwilligen, meine Frau zu werden. Würden Sie das in Erwägung ziehen? Würden Sie mich zu Ihrem Ehemann nehmen? Würden Sie mich heiraten und mein Leben mit mir teilen?«
    Ich war wie benommen – völlig überwältigt – sprachlos vor Verwirrung. Zum ersten Mal erlebte ich, was es einen Mann kostet, seine Zuneigung zum Ausdruck zu bringen, wenn er nicht weiß, wie die Reaktion darauf sein wird. Ich hatte schon vermutet, dass Mr. Nicholls gewisse Gefühle für mich hegte, hatte mir aber keine Vorstellung von ihrer Art oder Stärke gemacht. Nun stand er vor mir und erwartete angstvoll meine Antwort. Wie sollte ich reagieren? Was fühlte ich? Ich wusste es kaum.
    »Haben Sie schon mit Papa gesprochen?«, fragte ich schließlich.
    »Ich habe es nicht gewagt. Ich hielt es für das Beste, erst mit Ihnen zu reden.«
    Ich stand auf. »Mr. Nicholls, Ihr Antrag ehrt mich und beschämt mich. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen und mit großem Respekt dafür. Ich kann Ihnen jedoch keine Antwort geben, Sir, ehe ich nicht mit Papa gesprochen habe.«
    Er schaute mich verzweifelt an. »Ich verstehe. Aber sicher können Sie mir doch sagen, was Sie empfinden. Erwidern Sie meine Gefühle? Sagen Sie mir zumindest das! Mich verlangt nach ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher