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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Nähnadeln und der Küche zu tun hatten und die ihn beinahe den halben Tag kosteten, zumal ja nun leider nur noch ein Paar Hände Martha unterstützen konnte, wo es einmal drei gewesen waren.
    Die Monate verstrichen. Keeper starb, und wir begruben ihn im Garten. Flossy wurde alt und fett. Die Stille im Pfarrhaus war ohrenbetäubend, wurde nur durch Mr. Nicholls’ regelmäßige Besuche bei Papa unterbrochen. Als Anne Mr. Nicholls an jenem Abend vor so langer Zeit, nur zwei Monate vor ihrem Tod, zum Essen eingeladen hatte, hatte sie mir unbewusst – oder doch absichtlich? – einen neuen Gedanken eingepflanzt. Da der Esstisch zu groß und leer war, wenn nur Papa und ich dort saßen, hatten wir angefangen, unsere Mahlzeiten in Papas Studierzimmer einzunehmen. Gelegentlich lud ich Mr. Nicholls, nachdem er seine geschäftlichen Dinge mit Papa erledigt hatte, ein, dort mit uns zu speisen.
    Mr. Nicholls war nun nicht mehr der jungenhafte Mann, als der er einst nach Haworth gekommen war. Die Jahre hatten ihn verändert und milder werden lassen. Ich fand, dass er jetzt, da er Mitte dreißig war, noch besser aussah und noch solider und handfester wirkte als damals. Sein Gesicht und seine Gestalt waren ein wenig fülliger geworden, und der buschige, aber säuberlich gestutzte Bart, der sein Gesicht einrahmte, ließ ihn reifer wirken. Außerdem erschien mir Mr. Nicholls’ Gebaren, wenn er zum Essen blieb, wesentlich angenehmer, freundlicher und weniger hitzköpfig als in der Vergangenheit. Nur selten äußerte er eine engstirnige Meinung oder beharrte auf einem von Pusey inspirierten religiösen Prinzip, das mich zusammenzucken ließ. Über Frauen kam in meinem Beisein keine abfällige Bemerkung mehr über seine Lippen. Er gab sogar zu, er habe seine Ansichten, was Frauen beträfe, seither in einigen Punkten geändert.
    »Man hat mich so erzogen, dass ich an eine bestimmte Hierarchie der Geschlechter glaube«, erklärte mir Mr. Nicholls eines Abends. »Aber Sie haben mich dazu angeregt, das alles neu zu überdenken, Miss Brontë – oder sollte ich lieber sagen Mr. Bell?«
    »Sie sind also nicht mehr der Meinung«, fragte ich mit einem kleinen Lächeln, »dass der Platz der Frau in der Küche ist?«
    »Nicht, wenn sie es sich leisten kann, eine Köchin einzustellen«, erwiderte er, und wir mussten beide lachen.
    Während dieser seltenen Besuche verbrachten Mr. Nicholls und Papa gewöhnlich eine Stunde damit, sich darüber zu unterhalten, was die Gemeinde brauchte, was man tun konnte, um die Leiden der Armen zu lindern, wie man am besten die Probleme löste, die sich in der Werktags- und Sonntagsschule ergeben hatten, und wie man mit den nie endenden Fragen der Gesundheit und Hygiene in Haworth umgehensollte. Wir drei redeten auch über meinen Bruder und meine Schwestern und teilten viele lieb gewordene und angenehme Erinnerungen miteinander. Gelegentlich erkundigte sich Mr. Nicholls interessiert nach dem Roman, an dem ich gerade schrieb. Ich stellte fest, dass ich mit ihm über dieses Thema nicht eingehend zu sprechen vermochte, spürte aber, dass er stolz auf mich und meine Erfolge war. Ebenso hegte er durchaus ein lebhaftes Interesse daran, in welcher Weise sich mein Leben aufgrund meiner schriftstellerischen Tätigkeit verändert hatte.
    »Ihr Vater hat mir berichtet, Sie hätten sehr viele berühmte Menschen kennengelernt, Miss Brontë«, sagte er eines Abends.
    »Sehr viele nicht, Sir, so würde ich es nicht ausdrücken, aber ich hatte das große Glück, einige neue Bekanntschaften zu schließen.«
    »Wer ist Ihnen darunter die liebste?«
    Ohne Zögern antwortete ich: »Mrs. Gaskell. Sie ist nicht nur eine sehr gute Schriftstellerin, sondern auch eine angenehme und aufrichtige Person. Sind Ihnen ihre Werke bekannt?«
    »Nein.«
    »Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Dickens’ Periodikum
Household Words
. Und
Mary Barton
ist ein ausgezeichneter Roman. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen den leihen.«
    »Das wäre sehr freundlich von Ihnen«, antwortete Mr. Nicholls und fügte hinzu: »Ich habe mir sagen lassen, dass Sie auch Mr. Thackeray sehr schätzen. Wie ist er denn?«
    »Nun, sehr hoch aufgeschossen.«
    Mr. Nicholls lachte.
    Papa wandte ein: »Verglichen mit
dir,
meine Liebe, ist jeder hoch aufgeschossen.«
    »Trotz Mr. Thackerays Körpergröße«, erkundigte sich jetztMr. Nicholls weiter, »haben Sie Freude an seiner Gesellschaft gehabt?«
    »Eigentlich nicht, Sir.«
    »Nein?«
    »Nein. Als ich ihn das erste Mal

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