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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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zweiwöchigen Erholungsurlaub zu machen. Ich war gerade nach Haworth zurückgekehrt und immer noch zu sehr mit meinen Sorgen beschäftigt, wie wohl dieses neue Werk aufgenommen würde, als ein Ereignis eintrat, das mein Leben so völlig auf den Kopf stellte, wie es das selbst der verheerendste Sturm und das schlimmste Erdbeben kaum vermocht hätte.
    Mr. Nicholls machte mir einen Heiratsantrag.

ACHTZEHN
    Es war ein Montagabend, der 13. Dezember 1852. Mr. Nicholls kam zum Abendessen. Wie immer versammelten wir drei uns in Papas Studierzimmer, saßen an unseren gewohnten Plätzen am Kamin, die Teller auf dem Schoß. Flossy, nun sehr alt und so lieb und freundlich wie eh und je, lag zusammengerollt auf dem Boden neben uns.
    Während wir aßen, konnte ich nicht umhin, zu bemerken, dass Mr. Nicholls rastloser und nervöser war, als ich ihn jemals erlebt hatte. Er rührte sein Essen kaum an, nippte nur an seiner Teetasse und beantwortete alle meine Fragen sehr einsilbig.
    »Ihr Vater sagte mir«, brachte er schließlich mit seltsamer Unruhe und Besorgnis in der Stimme hervor, »dass Sie Ihr neues Buch fertiggeschrieben haben.«
    »Ja. Ich habe das Manuskript meinem Verleger geschickt, ehe ich zu meinem Besuch bei Ellen aufgebrochen bin. Es ist eine rechte Erleichterung, es endlich hinter mir zu haben, das kann ich Ihnen versichern. Ich habe jetzt für eine Weile genug vom Schreiben. Ich freue mich auf eine lange Pause.«
    Meine Antwort schien ihn gleichermaßen zu erfreuen und zu beunruhigen. »Sie sind, hoffe ich, mit dem Buch zufrieden?«
    »Ja, ich habe mein Bestes gegeben. Leider ist mein Verleger nicht ganz so einverstanden. Obwohl Mr. Smith das Manuskript ohne Veränderungen angenommen hat, machte er mir doch deutlich, dass er ein anderes und glücklicheres Ende bevorzugt hätte.«
    »Da bin ich ganz seiner Meinung«, mischte sich Papa ein.»Ich kann mich mit dem Ende des Buches auch nicht anfreunden.«
    Papa, das wusste ich, war nicht recht einverstanden damit, dass seine Lieblingsfigur, Dr. John, im dritten Band in der Versenkung verschwand, während die Geschichte die enger werdende Beziehung zwischen der Heldin und ihrem Professor, Monsieur Paul Emmanuel, verfolgte. »Ich konnte doch keine Personen zusammenbringen, die so gar nicht zueinander passen, Papa.« Es entging mir nicht, dass Mr. Nicholls bei dieser Bemerkung ein langes Gesicht zog. »Verzeihen Sie mir, Mr. Nicholls. Wir sollten nicht über das Ende eines Buches sprechen, das Sie noch nicht gelesen haben.«
    Er nickte nur und verstummte dann für die nächste Viertelstunde, bis ich Gute Nacht sagte und mich aus dem Zimmer zurückzog.
    Ich ging, wie es meine Gewohnheit war, ins Esszimmer, wo ich noch eine Weile in meinem Sessel beim Kamin saß und las. Ich vernahm weiter das Murmeln eines lebhaften Gesprächs hinter der geschlossenen Tür des Studierzimmers. Um halb neun hörte ich, wie die Tür des Zimmers geöffnet wurde, als wolle sich Mr. Nicholls zum Gehen anschicken. Ich erwartete danach das übliche Zuschlagen der Haustür, da Mr. Nicholls und ich uns ja bereits voneinander verabschiedet hatten. Stattdessen blieb er zu meiner Überraschung auf dem Flur stehen und klopfte an die offenstehende Tür zum Esszimmer.
    »Darf ich?« Seine tiefe Stimme, die gewöhnlich so sicher und ruhig war, zitterte ein wenig.
    Ich schaute von meinem Buch auf und nahm den eigenartig erregten Ausdruck auf seinem leichenblassen Gesicht wahr. Wie ein Blitz durchzuckte mich eine Vorahnung dessen, was jetzt kommen würde, und mein Herz begann erschreckt zu pochen. »Aber bitte, setzen Sie sich doch.«
    Mr. Nicholls trat ein, setzte sich aber nicht hin. Er blieb einige Schritte von mir entfernt mit gesenktem Blick und ineinander verkrampften Händen stehen, als müsse er allen Mut zusammennehmen. Als er schließlich die Augen hob und mich anschaute, sprach er leise und heftig, aber unter äußersten Schwierigkeiten. »Miss Brontë, seit meiner Ankunft hier in Haworth, beinahe vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an, habe ich nichts als den höchsten Respekt und die größte Bewunderung für Sie empfunden – für Ihre bemerkenswerte Intelligenz, Ihre Stärke und Ihr Temperament, für Ihr gutes und großzügiges Herz. Im Laufe all der vielen Jahre hat sich diese Bewunderung zu einem tieferen, mächtigeren Gefühl entwickelt. Sie sind, und das bereits seit geraumer Zeit, die wichtigste und meistgeschätzte Person in meinem Leben.«
    Das Herz hämmerte mir in der Brust.

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