Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
Wasserfällen, die alles weit übertrafen, woran ich mich von den englischen Seen erinnerte. Ich bedauerte, dass sich Arthur wegen der kühlen Luft und des ständigen Nieselregens (oder weil es unablässig nach Regen aussah) weigerte, mit offenem Verdeck zu fahren.
    »Du kämpfst immer noch mit einer Erkältung«, sagte er, »und ich möchte nicht Gefahr laufen, dass du ernstlich krank wirst, indem ich dich dem unfreundlichen Wetter aussetze.«
    Nach den ersten zwei Stunden, die wir in der geschlossenen Kutsche saßen, verspürten wir jedoch beide das dringende Bedürfnis, zu Fuß über die herrlichen Berge und durch die Täler zu streifen, sodass wir den Kutscher immer wieder einmal baten, anzuhalten und uns aussteigen zu lassen. So unternahmen wir im Laufe des Tages einige kurze, erfrischende Spaziergänge und schauten danach wieder ehrfurchtsvoll durch die Kutschenfenster auf die Landschaft. Ich muss zugeben, dass auch diese ruhigen Augenblicke ihren ganz besonderen Reiz hatten, denn es war äußerst angenehm, neben meinem frischgebackenen Ehemann zu sitzen, dessen Hand stets eifrig die meine suchte.
    Jeden Abend kehrten wir durchgefroren, aber belebt in das Gasthaus zurück, wo wir uns bei einem ruhigen Abendessen am Kamin aufwärmten und uns voller Begeisterung noch einmal alles ins Gedächtnis zurückriefen, was wir am Tag gesehenund erlebt hatten. Und in der Nacht, wenn wir uns in unser Schlafgemach zurückzogen, fiel ich bereitwillig und nur zu gern in die Umarmung meines Mannes und war von so viel Glück und Wonne eingehüllt, wie ich es noch nie im Leben erfahren hatte. Jede Nacht brachte uns enger zusammen, und schließlich konnten wir über jenen ersten Abend lachen, als Arthur mich auf dem oberen Treppenabsatz verlassen hatte, damit ich mich allein auskleiden konnte. Nun bestand er darauf, auch die intimsten dieser Verrichtungen selbst zu erledigen.
    Die Sittsamkeit verbietet mir, hier ausführlicher zu werden. Ich kann nur sagen, dass mein Ehemann sich als weitaus geschickter und brauchbarer erwies, wenn es ums Aufschnüren eines Korsetts ging, als man es von einem Gottesmann erwarten durfte. Und kein Gatte hätte je zärtlicher, feinfühliger und hingebungsvoller zu seiner Frau sein können als meiner.
    Leider geschah jedoch gleich nach diesem Glück etwas, das eine verheerende Wirkung auf die zarten Bande hatte, die während jener ersten Woche zunehmender Vertrautheit entstanden waren, und das unserer Ehe einen bleibenden Schaden zuzufügen drohte.

DREIUNDZWANZIG
    Wir fuhren nach Irland.
    Unser Aufenthalt in Wales war nur eine Zwischenstation vor unserer eigentlichen Hochzeitsreise gewesen. Arthur brannte darauf, mich in sein Heimatland zu führen und mir seine Lieblingsorte zu zeigen, mich seiner Familie vorzustellen und mich in das Zuhause zu bringen, wo er aufgewachsen war. Er hatte mir bisher jedoch nur sehr wenig davon erzählt. Als ich mich erneut nach seiner Familie und ihrem Wohnort erkundigte, zuckte er nur die Schultern, wandte den Blick ab und antwortete leise: »Es sind aufrichtige irische Leute vom Land, sie meinen es gut und haben ein freundliches Herz. Tante Bell und meine unverheirateten Cousinen und Vetter leben heute noch in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich liebe sie alle sehr, aber ich möchte gern, dass du sie selbst kennenlernst und dir dein eigenes Urteil bildest.«
    Ich fasste in diesem Augenblick den Entschluss, Arthurs Verwandte um seinetwillen zu mögen und zu lieben, ganz gleich wie ärmlich ihre Behausung und wie ungehobelt sie waren.
    Am Dienstag, dem 4. Juli reisten wir mit der Eisenbahn über Angelsey nach Holyhead, wo uns (zum Glück) gutes Wetter und eine ruhige See erwarteten, was uns auf eine ereignislose Überfahrt hoffen ließ. Ich war jedoch nie eine gute Seereisende gewesen. Um mich während des ersten Teils der Reise abzulenken, spazierte Arthur mit mir auf dem Deck umher. Während wir die belebende Seeluft genossen, unterhielten wir uns leise über die verschiedenen Passagiere, die wir an Bord beobachteten.
    »Die beiden sehen sehr glücklich aus«, sagte ich über ein junges Paar, das Hand in Hand dahinschlenderte und sich vertraut unterhielt.
    »Vielleicht sind sie auch ein jungvermähltes Paar«, erwiderte Arthur und ergriff lächelnd meine Hand.
    »Wer ist dieser Herr da?«, flüsterte ich und deutete mit dem Kopf auf einen dicken Mann, der ein wenig vor der Meeresbrise geschützt, auf einem Klappstuhl saß.
    »Zweifellos ein Rechtsanwalt. Ich

Weitere Kostenlose Bücher