Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
die Pariser Koketterie ausmachen, und beklagten d'Arthez, der von gesunder Nahrung ohne jede Würze lebte; weil er die Wonnen der Pariser feinen Küche nie gekostet hatte, so weckten sie seine Neugier aufs lebhafteste. Doktor Bianchon, den d'Arthez ins Vertrauen zog, wußte, daß diese Neugier endlich erwacht war. Das langdauernde Verhältnis des großen Schriftstellers zu einer vulgären Frau war ihm, statt ihm vermöge der Gewöhnung zu gefallen, vielmehr unerträglich geworden; aber ihn hielt die große Schüchternheit zurück, die sich aller einsamen Menschen bemächtigt.
»Wie kommt es,« sagte Rastignac, »wenn man ›den Pfennig und den Ballen im Schilde führt, der schräg in Rot und Gold geteilt ist‹, daß man da dieses pikardische Wappen nicht auf einem Wagen glänzen läßt? Sie haben dreißigtausend Franken Rente und die Einkünfte Ihrer Feder; Sie haben Ihre Devise, die den von unsern Vorfahren so lange gesuchten Kalauer bildet, zur Wahrheit gemacht: Ars thesaurusque virtus! und Sie führen sie nicht im Bois de Boulogne spazieren! Wir leben in einem Jahrhundert, in dem die alte Tugend sich zeigen muß.« »Wenn Sie dieser dicken Daforêt, die Ihre Wonne ausmacht, Ihre Werke vorläsen, so würde ich Ihnen vergeben, daß Sie sie behalten,« sagte Blondet. »Aber, mein Lieber, wenn Sie schon, materiell gesprochen, von trocknem Brot leben, so haben Sie, soweit es auf den Geist ankommt, nicht einmal das Brot ...«
Dieser freundschaftliche kleine Krieg zwischen Daniel und seinen Freunden hatte schon ein paar Monate gedauert, als Frau d'Espard Rastignac und Blondet bat, d'Arthez dahin zu bringen, daß er einmal bei ihr speiste, und ihnen zugleich sagte, die Fürstin von Cadignan hege das lebhafte Verlangen, diesen berühmten Mann kennen zu lernen. Eine solche Neugier ist für gewisse Frauen, was für Kinder die Laterna magica ist: ein übrigens ziemlich ärmliches Vergnügen für die Augen, das nur Enttäuschung bringt. Je mehr Empfindung ein Mann von Geist aus der Ferne weckt, um so weniger wird er ihr aus der Nähe entsprechen; je glänzender die Träume von ihm waren, um so glanzloser wird er selber sein. In dieser Hinsicht geht die enttäuschte Neugier bisweilen bis zur Ungerechtigkeit. Weder Blondet noch Rastignac konnten d'Arthez täuschen; sie sagten ihm lachend, ihm biete sich die verführerischste Gelegenheit, sein Herz zu bilden und die höchsten Wonnen kennen zu lernen, die die Liebe einer Pariser großen Dame verleihen könne. Die Fürstin sei tatsächlich in ihn verliebt, er habe bei dieser Begegnung nichts zu fürchten, aber alles zu gewinnen. Es werde ihm nicht möglich sein, von dem Piedestal herabzusteigen, auf das Frau von Cadignan ihn gestellt habe. Weder Blondet noch Rastignac bedachten sich, der Fürstin diese Liebe zuzuschreiben; sie konnte die Verleumdung tragen, da ihre Vergangenheit schon zu so viel Anekdoten Anlaß gab. Sie begannen alle beide, d'Arthez die Abenteuer der Herzogin von Maufrigneuse zu erzählen: erstens ihre Leichtfertigkeiten mit de Marsay, zweitens ihre Inkonsequenzen mit d'Ajuda, den sie von seiner Frau fortgelockt hatte, indem sie so Frau von Beauséant rächte; drittens ihre Liaison mit dem jungen d'Esgrignon, der sie nach Italien begleitet und sich um ihretwillen furchtbar bloßgestellt hatte; sie berichteten, wie unglücklich sie mit einem berühmten Gesandten, wie glücklich mit einem russischen General gewesen war, wie sie die Egeria zweier Minister der auswärtigen Angelegenheiten wurde, und so weiter. D'Arthez erwiderte ihnen, er habe durch ihren armen Freund Michel Chrestien, der sie vier Jahre lang heimlich angebetet hätte und fast darüber wahnsinnig geworden wäre, mehr davon erfahren, als sie ihm zu sagen vermöchten.
»Ich habe meinen Freund oft in die Italienische Oper begleitet,« sagte Daniel. »Der Unglückliche lief mit mir durch alle Straßen neben dem Wagen der Fürstin einher, um sie durch die Scheiben ihres Coupés bewundern zu können. Dieser Liebe verdankt der Fürst von Cadignan das Leben, denn Michel hat einen Burschen daran gehindert, ihn zu erschießen.« »Nun, da haben Sie ja gleich ein Thema bereit,« sagte Blondet lächelnd. »Das ist die Frau, die Sie brauchen; sie wird nur aus Feingefühl grausam sein, und sie wird Sie sehr huldvoll in die Geheimnisse der Eleganz einweihen; aber nehmen Sie sich in acht! Sie hat manches Vermögen verzehrt! Die schöne Diana gehört zu jenen Verschwenderinnen, die keinen Heller kosten und für
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