Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Gesichter grünlich zu färben, muß man da nicht auch dem Verlangen, der Freude, der Hoffnung die Fähigkeit zusprechen, die Haut heller zu machen, den Blick mit lebhaftem Glanz zu vergolden, die Schönheit durch ein lockendes Licht, dem Licht eines hübschen Morgens gleich, zu beleben? Die so berühmte Weiße der Fürstin hatte einen reifen Ton angenommen, der ihr etwas Erhabenes gab. Um diese Zeit ihres Lebens stand ihre hohe Träumerstirn in wundervollem Einklang mit ihrem blauen, ruhigen und majestätischen Auge, denn diese Periode zeichnete sich durch ein strenges Insichgehen und viele ernsthafte Gedanken aus. Es wäre dem geschicktesten Physiognomen unmöglich gewesen, sich unter dieser unerhörten Feinheit der Züge Berechnung und Entschlossenheit vorzustellen. Es gibt Frauengesichter, die durch ihre Ruhe und ihre Feinheit die Wissenschaft täuschen und die Beobachtung irreführen; man müßte sie betrachten können, wenn die Leidenschaften reden, und das ist schwierig; oder wenn sie gesprochen haben, was nichts mehr hilft; denn dann ist die Frau alt und verstellt sich nicht mehr. Die Fürstin gehört zu den undurchdringlichsten Frauen; sie kann sich zu dem machen, was sie sein will; mutwillig, kindlich und unschuldig, um zur Verzweiflung zu treiben, oder fein, ernst und tief, so daß sie Sorgen einflößt. Sie kam mit der Absicht zur Marquise, die sanfte und einfache Frau zu spielen, der das Leben nur durch seine Enttäuschungen bekannt geworden war, die Frau voller Seele, die man verleumdet hat, die sich jedoch darein ergibt, kurz, den zertretenen Engel. Sie kam früh, um sich am Kamin neben Frau d'Espard so auf das Plaudersofa setzen zu können, wie sie gesehen werden wollte, in einer jener Haltungen, in denen die Berechnung unter dem köstlichen Schein der Natur verborgen ist, in einer jener studierten und gesuchten Posen, die jene schöne Schlangenlinie hervorheben, wie sie mit dem Fuße beginnt, anmutig bis zur Hüfte steigt und sich in herrlichen Rundungen bis zu den Schultern fortsetzt, indem sie den Blicken das ganze Profil des Körpers zeigt. Eine nackte Frau wäre minder gefährlich, als es ein in dieser Weise kundig hingebreiteter Rock ist, der alles bedeckt und zugleich ins Licht rückt. Aus einem Raffinement heraus, auf das nicht viele Frauen verfallen wären, hatte Diana sich zur größten Verblüffung der Marquise von dem Herzog von Maufrigneuse begleiten lassen. Nach einem Augenblick der Überlegung drückte Frau d'Espard der Fürstin mit verständnisvoller Miene die Hand: »Ich verstehe Sie! Wenn Sie d'Arthez zwingen, gleich auf einen Schlag alle Schwierigkeiten mit in den Kauf zu nehmen, haben Sie sie später nicht mehr zu besiegen.«
Die Gräfin von Montcornet kam mit Blondet. Rastignac brachte d'Arthez mit. Die Fürstin machte dem berühmten Manne keines der Komplimente, mit denen ihn vulgäre Menschen überhäuften; aber sie zeigte eine Zuvorkommenheit, die voller Anmut und Achtung war und die die Grenze ihrer Konzessionen bilden mußte. So benahm sie sich zweifellos auch dem König von Frankreich und den Fürsten gegenüber. Sie schien glücklich, diesen großen Mann zu sehen, und zufrieden damit, ihn gesucht zu haben. Leute, die wie die Fürstin viel Geschmack haben, zeichnen sich vor allem durch ihre Art, zuzuhören, aus, durch eine Liebenswürdigkeit ohne Beimischung von Spötterei, die sich zur Höflichkeit verhält wie die werktätige Tugend zur theoretischen. Wenn der berühmte Mann sprach, so verriet ihre Haltung eine Aufmerksamkeit, die tausendmal schmeichelhafter war, als die bestgerundeten Komplimente es gewesen wären. Die gegenseitige Vorstellung geschah durch die Marquise, und zwar ohne jeden Nachdruck und in aller Schicklichkeit. Bei Tisch setzte man d'Arthez neben die Fürstin, die, weit entfernt von der übertriebenen Zurückhaltung der Zierpuppen, mit sehr gutem Appetit aß und ihre Ehre darein setzte, als ganz natürliche Frau ohne alle Wunderlichkeiten zu erscheinen. Zwischen zwei Gängen benutzte sie einen Augenblick, in dem die Unterhaltung allgemein wurde, um d'Arthez für sich in Anspruch zu nehmen.
»Wenn ich mir das Vergnügen verschaffen wollte, mich neben Sie zu setzen, so liegt dem der geheime Wunsch zugrunde, ein wenig über einen unglücklichen Freund von Ihnen zu erfahren, der für eine andere Sache gestorben ist als für die unsrige; ich habe ihm viel zu danken, ohne daß ich meine Verpflichtungen je anerkennen oder ihm vergelten konnte. Der Fürst von
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