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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ein Mann ohne Gewissensbisse aus dem Vertrauten zum Nebenbuhler werden kann. In einem Augenblick erkannte er, welch ungeheurer Unterschied zwischen den Frauen der Gesellschaft, jenen Blüten der großen Welt, und den vulgären Frauen besteht, die er dennoch gleichfalls nur erst durch ein einziges Muster kannte; er wurde also an den zugänglichsten, zartesten Seiten seiner Seele und seines Genius überrumpelt. Von seiner Naivität und dem Ungestüm seiner Gedanken getrieben, sich dieser Frau zu bemächtigen, fühlte er sich trotzdem zurückgehalten durch die Welt, durch die Schranke, die die Lebensform und, sagen wir es, die Majestät der Fürstin zwischen ihm und ihr errichtete. Daher lag auch darin für diesen Mann, der nicht gewohnt war, diejenige, die er liebte, zu achten, irgend etwas Lockendes, irgendein Reiz, der um so mächtiger war, als er sich gezwungen sah, ihm ausgesetzt zu bleiben und seine Wunden zu tragen, ohne daß er sich verriet. Die Unterhaltung, die bis zum Dessert bei der Person Michel Chrestiens verweilte, bildete für Daniel wie für die Fürstin einen wundervollen Vorwand, von Liebe, Sympathie, Ahnung zu flüstern: für sie, sich die Pose der verleumdeten, verkannten Frau zu geben; für ihn, die Füße in die Schuhe des toten Republikaners zu stecken. Vielleicht ertappte sich dieser Mann der Naivität dabei, wie er sich weniger nach seinem Freund zurücksehnte als vordem. In dem Augenblick, als die Wunder des Desserts auf dem Tisch erstrahlten, beim Licht der Kerzen, im Schutz der Sträuße aus natürlichen Blumen, die die Gäste durch eine glänzende, reich von Früchten und Zuckerwerk durchwirkte Hecke trennten – gefiel die Fürstin sich darin, diese Folge von Vertraulichkeiten mit einem entzückenden Wort zu beschließen, das sie mit einem jener Blicke begleitete, die eine blonde Frau brünett erscheinen lassen und in dem sie dem Gedanken, Michel und Daniel seien Zwillingsseelen, feinen Ausdruck gab. D'Arthez stürzte sich jetzt wieder in die allgemeine Unterhaltung, in die er die Freude eines Kindes hineintrug, und zwar nicht ohne ein wenig von jener Eitelkeit, die eines Schülers würdig gewesen wäre. Die Fürstin nahm auf die natürlichste Weise Daniels Arm, um in den kleinen Salon der Marquise zurückzukehren. Als sie den großen Salon durchschritten, ging sie langsam; und als sie um einen ziemlich weiten Zwischenraum hinter der Marquise, der Blondet den Arm gereicht hatte, zurückgeblieben war, hielt sie d'Arthez an, »Ich will dem Freund des armen Republikaners nicht unzugänglich sein,« sagte sie. »Und obgleich ich es mir zum Gesetz gemacht habe, niemand zu empfangen, so sollen von allen Menschen der Welt Sie allein bei mir Zutritt haben. Glauben Sie nicht, daß das eine Gunst sei. Die Gunst ist stets nur für Fremde vorhanden, und mir ist, als wären wir schon alte Freunde; ich will in Ihnen Michels Bruder sehen.«
    D'Arthez konnte der Fürstin nur den Arm drücken; er fand keine Antwort. Als der Kaffee serviert wurde, hüllte Diana von Cadignan sich mit einer koketten Bewegung in einen großen Schal ein und stand auf. Blondet und Rastignac waren zu sehr Politiker und zu sehr an die große Welt gewöhnt, als daß sie hätten den geringsten bürgerlichen Ausruf tun oder die Fürstin zurückhalten wollen; aber Frau d'Espard zwang ihre Freundin, sich nochmals zu setzen, indem sie sie bei der Hand nahm, und flüsterte ihr zu: »Warten Sie, bis auch die Leute gegessen haben; der Wagen ist noch nicht bereit.« Und sie gab dem Diener, der das Tablett mit dem Kaffee wieder forttrug, einen Wink. Frau von Montcornet erriet, daß die Fürstin und Frau d'Espard sich etwas zu sagen hatten, und sie lockte d'Arthez, Rastignac und Blondet fort, indem sie sie durch einen jener tollen, paradoxen Angriffe amüsierte, auf die die Pariserinnen sich so wundervoll verstehen.
    »Nun,« sagte die Marquise, »wie finden Sie ihn?« »Er ist ein anbetungswürdiges Kind, er kommt gerade aus den Wickelbändern. Wahrlich, es gibt noch einmal wie immer einen Sieg ohne Kampf.« »Das kann einen zur Verzweiflung treiben,« sagte Frau d'Espard, »aber es gibt ein Auskunftsmittel.« »Welches?« »Lassen Sie mich Ihre Nebenbuhlerin werden.« »Wie Sie wollen,« erwiderte die Fürstin; »ich bin zu einem Entschluß gekommen. Das Genie ist eine Daseinsform des Gehirns; was das Herz dabei gewinnt, weiß ich nicht; wir wollen noch darüber plaudern.«
    Als Frau d'Espard dieses letzte ihr unauslegbare Wort hörte,

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