Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Ihnen begegnet bin, keinen Fuß mehr in Frau d'Espards Haus gesetzt; gehen Sie hin, nicht um Ihretwillen und auch nicht aus Höflichkeit, sondern um meinetwillen. Vielleicht haben Sie sie mir zur Feindin gemacht, wenn sie zufällig erfahren haben sollte, daß Sie seit ihrem Diner sozusagen mein Haus nicht mehr verlassen haben. Übrigens, mein Freund, möchte ich nicht zusehen müssen, wie Sie Ihre Beziehungen und die Gesellschaft oder Ihre Arbeiten und Werke vernachlässigen. Ich würde noch einmal bis zum Äußersten verleumdet werden. Was würde man nicht alles sagen? Ich führte Sie am Gängelband, ich saugte Sie auf, ich fürchtete Vergleiche, ich wollte noch einmal von mir reden machen, ich wisse, wie ich meine Eroberung zu sichern habe, da ich ja nicht verkennen könne, daß es die letzte sei! Wer könnte erraten, daß Sie mein einziger Freund sind? Wenn Sie mich so sehr lieben, wie Sie mich zu lieben vorgeben, werden Sie der Welt den Glauben beibringen, daß wir ganz einfach Bruder und Schwester sind. Fahren Sie fort.«
D'Arthez wurde durch die unsägliche Ruhe, mit der die anmutige Frau ihr Kleid zurechtlegte, damit es elegant zu falle, auf ewig in Zucht genommen. In dieser Rede lag irgend etwas Feines, Zartes, was ihn bis zu Tränen rührte. Die Fürstin ließ all die bürgerlichen und unedlen Dinge der Frauen, die sich auf einer Ottomane Stück für Stück wehren und streitig machen, weit hinter sich; sie entfaltete eine unerhörte Größe; sie brauchte es nicht erst zu sagen: die Vereinigung ergab sich zwischen ihnen in edler Selbstverständlichkeit. Es war weder gestern gewesen, noch sollte es morgen oder heute sein; es würde kommen, wenn sie beide es wollen würden; ohne die endlosen Heftpflaster dessen, was vulgäre Frauen ein Opfer nennen; ohne Zweifel wissen sie, was sie dabei zu verlieren haben, während dieses Fest für die Frauen, die gewiß sind, dabei zu gewinnen, ein Triumph ist. In jenem Satz war alles unbestimmt wie ein Versprechen, süß wie eine Hoffnung und doch gewiß wie ein Recht. Geben wir es offen zu: diese Art der Größe findet sich nur bei jenen erlauchten und wunderbaren Betrügerinnen; sie bleiben auch da noch königlich, wo die andern Frauen Untertaninnen werden. Jetzt konnte d'Arthez den Abstand zwischen diesen Frauen und den anderen ermessen. Die Fürstin zeigte sich stets würdig und schön. Das Geheimnis dieses Adels liegt vielleicht in der Kunst, mit der die großen Damen sich ihrer Schleier zu entkleiden wissen; es gelingt ihnen, in dieser Situation den antiken Statuen zu gleichen; wenn sie noch einen Fetzen auf dem Körper behielten, so wären sie schamlos. Die Bürgersfrau sucht sich immer einzuhüllen.
Da d'Arthez in Zärtlichkeit eingesponnen war und durch die glänzendsten Tugenden gestützt wurde, so gehorchte er und ging zu Frau d'Espard, die ihre reizendsten Koketterien für ihn spielen ließ. Die Marquise hütete sich, d'Arthez auch nur ein Wort über die Fürstin zu sagen; aber sie bat ihn, an einem der nächsten Tage bei ihr zu speisen.
D'Arthez fand an diesem Tage zahlreiche Gesellschaft vor. Die Marquise hatte Rastignac, Blondet, den Marquis d'Ajuda-Pinto, Maxime de Trailles, den Marquis d'Esgrignon, die beiden Vandenesse, du Tillet, einen der reichsten Bankiers von Paris, den Baron von Nucingen, Nathan, Lady Dudley, zwei der verräterischsten Gesandtschaftsattachés und den Chevalier d'Espard, einen der tiefsten Männer dieses Salons, der die Hälfte der Politik seiner Schwägerin bedeutete, eingeladen.
Lachend sagte Maxime de Trailles zu d'Arthez: »Sie sehen die Fürstin von Cadignan sehr oft?« D'Arthez senkte zur Antwort auf diese Frage trocken den Kopf. Maxime de Trailles war ein ›Bravo‹ von höchstem Rang; ein Mann ohne Glauben noch Gesetz, der zu allem imstande war und die Frauen, die sich an ihn hingen, zugrunde richtete, indem er sie trieb, ihre Diamanten zu verpfänden; dabei deckte er dieses Verhalten mit einem glänzenden Firnis, mit reizenden Umgangsformen und satanischem Witz zu. Er flößte allen gleichermaßen Furcht und Verachtung ein; da aber niemand verwegen genug war, ihm andere als die höflichsten Gesinnungen zu zeigen, so merkte er vielleicht nichts davon, oder er ging auf die allgemeine Verstellung ein. Er verdankte dem Grafen de Marsay die letzte Erhöhung, die er erreichen konnte. De Marsay, der Maxime seit langem kannte, hatte in ihm die Begabung für gewisse geheime diplomatische Unterhandlungen erkannt, mit denen man ihn
Weitere Kostenlose Bücher