Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
dem Fuß die Haustür anstieß, damit sie ins Schloss fiel.
Eng umschlungen gingen wir dann in unser Wohnzimmer.
*
Am nächsten Tag gab es einige Agenturmeldungen mit neueren Einzelheiten über die Vorfälle im brasilianischen Regenwald.
Einige Augenzeugen hatten offenbar bereitwillig Auskunft gegeben. Es gab ein paar Fotos, die einige der Opfer zeigten - sofern man sie aufgefunden hatte. Die Bilder waren zu schrecklich, um sie in den NEWS abdrucken zu können - was nicht bedeutete, dass die Konkurrenz das vielleicht nicht trotzdem tat. Aber unser Chefredakteur Michael T. Swann hatte in diesen Dingen seine eisernen Grundsätze.
Kurz nachdem ich mir die Sachen angesehen hatte, rief Michael T. Swann mich in sein Büro.
"Sie haben das Material auf Ihrem Schreibtisch schon gesehen?", fragte er, während er sich hinter seinem chronisch überfüllten Schreibtisch erhob.
"Natürlich", nickte ich.
"Sie waren vor ein paar Jahren schon einmal an dieser Story dran, deshalb möchte ich, dass Sie auch diesmal nach Manaus fliegen... Die Sache mit diesem indianischen Totengott, der angeblich in Gestalt eines Schlangenmenschen durch die Wälder zieht, zieht immer weitere Kreise. Die Konkurrenzblätter sind auch voll davon.... Aber das meiste ist völlig aus der Luft gegriffen. Kaum recherchiert. Sie wissen, dass ich so etwas nicht leiden kann, Patricia."
Swann humpelte um den Schreibtisch herum. Er trug noch immer einen Gips um seinen gebrochenen Fuß, den er sich kürzlich zugezogen hatte, als er auf einer Treppe ausgerutscht war. Für einen so agilen Mann wie Swann war es eine äußerst grausame Strafe, in seiner Bewegungsfreiheit dermaßen eingeengt zu sein.
Swann atmete tief durch. Er blieb stehen und lockerte den Schlips, so dass er ihm jetzt wie ein Strick um den Hals hing.
"Nehmen Sie Mr. Hamilton mit", sagte er dann und grinste verschmitzt. "Ich nehme an, dass ich Ihrer nächsten Frage damit zuvorkomme."
"Nun..."
"Mr. Hamilton spricht Portugiesisch. Das wird Ihnen sicher vieles erleichtern..."
*
Wir nahmen die Abendmaschine von London Heathrow nach Rio de Janeiro. Tante Lizzy brachte uns zum Flughafen. "Ich würde gerne mit euch fliegen", sagte sie leise, als wir uns verabschiedeten. "Vielleicht hätte ich dann das Gefühl, Frederik etwas näher zu sein - obwohl das natürlich absurd ist."
"Tante Lizzy..."
"Jedenfalls bin ich in Gedanken bei euch, wenn ich es ansonsten schon nicht sein darf!"
"Ein Aufenthalt in der grünen Hölle wäre Selbstmord, Tante Lizzy!"
"Ja, ich weiß."
Sie drückte mich zum Abschied auf ganz besondere Weise. Ich war etwas verwirrt. Wir wechselten noch einen kurze Blick, dann wies Tom mich darauf hin, dass unser Flug aufgerufen worden war. Wir mussten uns jetzt beeilen.
Der Flug nach Rio verlief reibungslos. Einen Großteil der Zeit verschliefen wir. Von Rio aus ging es dann mit einem Inlandsflug nach Manaus weiter, diese einzigartige Großstadt, die mitten im Dschungel lag. Ein Ort, wie es wohl keinen zweiten auf der ganzen Welt gab.
In Manaus quartierten wir uns in einem Hotel mittlerer Qualität ein. Es hieß SOLIMOES - das war gleichzeitig der Name, den der Amazonas von hier aus flussaufwärts trug.
Ein paar Tage blieben wir in Manaus.
So gut es ging, versuchten wir zu recherchieren, was sich als ziemlich schwierig erwies. Die örtlichen Polizeibehörden waren alles andere als kooperativ. Außerdem waren wir nicht die Einzigen, die auf diese Story aufmerksam geworden waren.
Manaus wimmelte nur so von Kollegen der Konkurrenz, die glaubten, hier eine Sensationsstory finden zu können, ohne viel Aufwand betreiben zu müssen. Gerüchte machten die Runde und erreichten auch die Hotelbar des SOLIMOES.
Gerüchte darüber, dass Kollegen viel Geld dafür bezahlt hatten, um sich von der örtlichen Polizei die sichergestellten Beweismittel und die gerichtsmedizinischen Berichte zeigen zu lassen.
In der Stadt war der Schlangenmensch das Gesprächsthema Nummer eins.
Schon nach kurzer Zeit war für uns jedoch klar, dass wir weiter flussaufwärts mussten, um mehr zu erfahren.
Tom und ich durchstreiften die Anlegestellen des gewaltigen Flusshafens von Manaus. Der Amazonas hatte hier - Hunderte von Kilometern von seiner Mündung in den Südatlantik entfernt eine Breite, die je nach Wasserstand bis zu hundert Metern betragen konnte. Manchmal konnte man den Eindruck gewinnen, sich an einem gewaltigen Binnensee zu befinden - und nicht an einem Strom, der auf den
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