Die Geheimnisse der Therapeuten
akzeptiere den Augenblick des Unbehagens, der mit meiner Angst verbunden ist. Ich kann ihn in den Griff bekommen.
âIch arbeite daran und vermeide keine angstauslösende Situation.
Und schlieÃlich:
âIch bin sterblich . Das ist nicht schön, aber es ist so!
Sich offenbaren â von der Realität der psychischen Erkrankung sprechen
Ich erinnere mich an die Erleichterung, als ich dieses kleine Schild am Eingang einer Manege im Disneyland von Orlando sah: »Für Klaustrophobiker verboten.« Schluss mit der Scham, ich litt an einer psychischen Krankheit. Ein psychisches Symptom ist keine gröÃere Schande als eine körperliche Krankheit. Es ist unsere Vorstellung, die wir davon haben, die zur Dramatisierung des Problems beiträgt. Jedes Mal, wenn ein Patient kommt, um seine Klaustrophobie behandeln zu lassen, lasse ich ihn rasch wissen, dass auch ich an dieser Krankheit leide und dass man damit fertigwerden kann. Die Akzeptanz der Krankheit ist gleich in der ersten Zeit wesentlich. Dem Patienten eine Schwierigkeit zu offenbaren ( to disclose , wie esim Englischen heiÃt) ist kein Eingeständnis von Unfähigkeit oder eine Art und Weise, nur von sich zu sprechen. Ganz im Gegenteil â die therapeutische Allianz zwischen dem Therapeuten und dem Patienten wird dadurch verstärkt: Wir sind zwei Menschen, die vielleicht ein bestimmtes Leiden miteinander teilen, aber der eine verfügt wahrscheinlich über mehr Mittel, um besser leben und bestimmte einschränkende Symptome in den Griff bekommen zu können. Ich arbeite also weiter an der anderen irrationalen Einstellung, die mir oft Streiche spielt: dem Blick des anderen und meinem eigenen Blick auf meinen Imperativ der Unfehlbarkeit. Aber das ist eine andere Geschichte â¦
4 â Stéphany Orain-Pélissolo
In den Klauen der Depression
Selbst als Psychologe kann man eine Depression bekommen und Hilfe benötigen, um sich davon zu befreien!
»Sie haben das Glück, Psychologin zu sein! Sie helfen uns, aber letztlich wissen Sie nicht, was es heiÃt zu leiden!« Worte von Patienten, die man oft mitten in einer Sitzung hört ⦠Worauf ich antworte: Unser Beruf immunisiert uns in keiner Weise gegen den Schmerz und schützt uns auch nicht vor schwierigen Phasen (Trauer, Trennung, Mobbing, Aggression, Krankheit, Arbeitsplatzverlust, Ãberarbeitung). Sie gehören zum Leben jedes Menschen dazu, und es ist vollkommen normal, in solchen Augenblicken Trauer, Angst und Wut zu empfinden. Niemand kann sie verhindern noch vorhersagen, wie er mit der Gewalt der auftretenden Emotionen umgehen wird, und das gilt zuallererst für mich selbst.
Kann man Leid bändigen?
Wie soll man akzeptieren, was einem widerfährt? Wie damit leben? Am Anfang meiner Berufstätigkeit geriet ich vor Jahren in eine Depression, als ich am Arbeitsplatz gemobbt wurde. Ich war davon überzeugt, nichts wert zu sein. Damals dachte ich, dass ein Antidepressivum, eine »Glückspille«, die Sache regeln würde (kein schlechtes Vorurteil für eine Psychologin). Tatsächlich kam nach einer zweimonatigen Behandlung und mithilfe der Unterstützung vieler Freunde und Kollegen meine Energie allmählich wieder zurück; meine Gedanken und meine Traurigkeit überwältigten mich nicht mehr. Aber die Freude und Begeisterung, die ich gewöhnlich empfand, waren weg, und der Gedanke »Ich bin nicht viel wert«, der bei dem Ereignis aufgetaucht war, nagte ernsthaft an mir. Wenn ich nichts wert bin, warum halten meine Freunde dann noch zu mir, warum ist mein Mann noch an meiner Seite? Ich sagte mir: »Das tun sie nur aus Freundlichkeit.« Das einzige Gebiet, auf dem ich mich selbstsicher fühlte, war mein Beruf. Er schenkte mir groÃe Freude und Befriedigung, und deshalb investierte ich viel Zeit in ihn. Ich konnte zwar meinen Patienten wirksam helfen, aber nicht mir selbst.
Einige Jahre später war ich infolge meiner Arbeitsüberlastung physisch so erschöpft, dass ich ein so genanntes Burnout-Syndrom entwickelte. Ich verlor schleichend meine Motivation und meine Freude am Tun. Mein Hauptgedanke »Ich bin wertlos« tauchte wieder auf und verfolgte mich Tag und Nacht, begleitet von den Gedanken: »Ich werde es nie schaffen«, »Ich bin nicht imstande, Job, Kinder, Familie und Freunde unter einen Hut zu bringen.«
Dieses Mal entschied ich mich, mich an einen wohlwollenden befreundeten
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