Die Geheimnisse der Therapeuten
Doch bei ganz bestimmten negativen Erinnerungen ist das anders: Sie lösen immer noch intensive Emotionen aus. Vor allem tauchen sie tendenziell dann auf, wenn wir sie nicht haben wollen! Diese schmerzbesetzten Erinnerungen sind im Langzeitgedächtnis nicht korrekt abgelegt. Sie befinden sich gewissermaÃen noch im »Rohzustand«, in dem wir das Ereignis erlebt haben, und sind mit Bildern, negativen Gedanken über uns selbst, Emotionen und körperlichen Empfindungen verknüpft.
Die Erinnerung ist in einem solchen Fall keine Sachinformation (»Ich weiÃ, dass dieses oder jenes um diese Uhrzeit passiert ist«), sondern eine Art Albtraum, den man immer wieder als Ganzes erlebt, als würde man mittendrin stecken. Da die Erinnerung unverarbeitet und nicht abgelegt ist, hängt sie sich ständig an alles, was wir erleben, und taucht in Zusammenhängen auf, die oft gar nichts mehr mit den Zusammenhängen des Geschehens zu tun haben. Jedes Signal, das an die Umstände des ursprünglichen Geschehens erinnert, reaktiviert die damit verbundenen Emotionen, so wie mein Burnout die düsteren Gedanken wiederbelebte, die seit der ersten Episode der Depression in mir lauerten.
Die schmerzhafte Erinnerung neu verarbeiten
EMDR zielt darauf ab, die schmerzhafte Erinnerung »neu zu verarbeiten«, das heiÃt, sie von den damit verbundenen oder fest daran haftenden negativen Emotionen und Empfindungen zu befreien. Nach einer minutiösen Vorbereitung bittet der Therapeut den Patienten während einer EMDR-Sitzung, sich in Gedanken den visuellen, intellektuellen, emotionalen und sensorischen Komponenten der traumatischen Erinnerung zu öffnen, während der Patient sich gleichzeitig auf die Hand des Therapeuten konzentriert, die dieser horizontal vor den Augen des Patienten hin- und herbewegt. Nach einer Sequenz von Augenbewegungen von etwa 30 Sekunden fragt der Therapeut den Patienten, was er erlebt hat: Manchmal tauchen Bilder, Emotionen, Gedanken, körperliche Empfindungen auf, manchmal nichts. Das produzierte »Material« wird vom Therapeuten nicht interpretiert; er bittet den Patienten, sich auf das von ihm Erlebte zu konzentrieren, während eine weitere Sequenz von Stimulationen durchgeführt wird. Dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis sich der durch die Stimulation offenbarte Inhalt positiv verändert, was (erstaunlicherweise) fast von allein geschieht. Wenn man dann auf die ursprüngliche traumatische Erinnerung zurückkommt, reaktiviert sie kein unangenehmes Bild, kein negatives Urteil und auch keine schmerzhafte Emotion mehr.
Eine EMDR-Behandlung lieÃe sich mit einer Zugfahrt vergleichen. Wir fahren vom Bahnhof ab mit Waggons, beladen mit negativem Material; an jeder Station lädt der Patient etwas davon ab, und allmählich wird positives Material eingeladen. Damit ist die Reise zu Ende. Die unangenehme Erinnerung kann im Langzeitgedächtnis abgelegt werden; sie wird sich nicht mehr an die Gegenwart oder die Zukunft heften.
Was EMDR mir gebracht hat: meinen Frieden mit negativen Erinnerungen machen
Wenn auch meine Energie allmählich wieder zunahm, spürte ich doch, dass mein Selbstwertgefühl geschwächt blieb (»Die anderen sind besser als ich, ich tauge nichts«), besonders in persönlichen Dingen. Als kleines Mädchen war ich heiter, fröhlich, gesellig, sportlich und wurde von anderen anerkannt. Was hatte diesen Bruch, dieses Gefühl von Entwertung, verursacht?
Der in »Ich bin wertlos« gipfelnde Gedankenstrom war eine Folge des Mobbings, das ich am Arbeitsplatz erlebt hatte. Sobald ich diese entfernte Erinnerung heraufbeschwor, war mir die Kehle wie zugeschnürt, und blitzartig tauchten Bilder auf. Aus komplexen Gründen hatte mich jemand, den ich schätzte, den ich intellektuell brillant fand und mit dem ein Jahr lang alles zum Besten gestanden hatte, plötzlich ignoriert. Er hatte auf dem Absatz kehrtgemacht, sobald er mich sah, mich keines Wortes mehr gewürdigt, mir hasserfüllte Blicke zugeworfen und mich bei meinen Kollegen angeschwärzt. Ich war zum schwarzen Schaf geworden! Ein totales Unverständnis, eine groÃe und tiefe Traurigkeit ergriffen allmählich von mir Besitz. Seine Haltung mir gegenüber überzeugte mich schlieÃlich davon, dass ich tatsächlich nicht viel wert war.
Diese Mobbing-Episode war eine unverdaute traumatische Erinnerung, die mit EMDR verarbeitet werden
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