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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christophe André
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tiefsten Innern hatte ich immer verändern wollen, was ich fühlte. Mit 12 oder 13 Jahren machte ich mich auf die Suche nach dem Mittel, das mein inneres Erleben weniger unerträglich machen würde. Ich erinnere mich an einen Versuch, mich massiv zu betrinken im Alter von 13. Nachdem ich mit dem Kopf in meinem eigenen Erbrochenen aufgewacht war, vermied ich mehrere Jahre lang den Alkohol – ich hatte Bekanntschaft mit der negativen Konditionierung geschlossen!
    Als es eines Tages mit meinen Eltern besonders schlecht lief, beschloss ich abzuhauen. Ich war 15 und schlüpfte bei einem befreundeten Pärchen unter, das gerade zwanzig war. Dort blieb ich mehrere Wochen und nahm zum ersten Mal Heroin.
    Wenn der innere Kampf zur Sucht wird
    Durch das Heroin empfand ich eine große innere Wärme, den Eindruck, dass alles in Ordnung und alles möglich war, dass die augenscheinlich unlösbaren Konflikte, mit denen ich mich herumschlug, sich endlich auflösten. Was die angebliche Gefahr der Droge anging, so hielt ich sie für eine kleinkarierte Lüge.
    Es war die Zeit der subversiven Rockmusik, und ich meinte, für die Musik zu leben. Drogen zu nehmen erschien mir als Form der Rebellion und als Mittel der Gruppenzugehörigkeit.
    Ich entwickelte mich rasch zum ständigen Heroinkonsumenten. Nach einer chaotischen zwölften Klasse beendete ich meine offizielle Schulzeit mit Anfang 16. Auf Vorschlag meiner Eltern meldete ich mich jedoch als externer Kandidat zum Abitur. Ich schaffte es knapp bei der Nachprüfung. Obwohl ich praktisch nicht gepaukt hatte, verdanke ich mein Abitur wahrscheinlich meiner Leidenschaft für Bücher und vor allem dem Umstand, dass mein Vater mich am Tag der schriftlichen Prüfung aus dem Bett holte, weil ich nicht aufgewacht war, nachdem ich am Abend vorher ein bisschen zu viel konsumiert hatte. Meine Eltern taten alles, was sie konnten, um mir zu helfen, auch wenn sie es nicht immer klug anstellten.
    Nachdem ich mein Abitur in der Tasche hatte, schrieb ich mich für Literatur und Geschichte ein. Doch die Universität erschien mir auf Anhieb als sehr unpersönlicher Betrieb, und ich fühlte mich dort genauso fremd wie auf dem Gymnasium. Trotz meines ausgeprägten Interesses an Geschichte, Literatur, dem aktuellen Tagesgeschehen, Politik und besonders an der Liebe verbrachte ich meine Tage im Wesentlichen damit, dem zeitraubenden »Beruf« eines Heroinkonsumenten nachzugehen.
    Das Heroin war für mich ganz einfach die wirksamste Methode, die ich gefunden hatte, um meinen inneren Kampf zu führen. Das Problem war, dass es funktionierte, wenn auch nur kurzfristig. In dieser kurzfristigen Wirksamkeit liegt das Suchtpotenzial des inneren Kampfes in all seinen Formen.
    Das Entstehen des Teufelskreises
    Anfangs war der Motor meines Konsums das Vergnügen, das mir das Heroin verschaffte. In behavioristischen Begriffen nennt man das die positive Verstärkung: eine angenehme Folge wird hinzugefügt. Das Heroin schien alle meine existenziellen Probleme magisch zu beseitigen und meine schwierigen Gefühle in Beziehungen zu besänftigen – während es mich gleichzeitig daran hinderte zu sehen, dass meine Beziehungsschwierigkeiten weiter bestanden und oft sogar schlimmer wurden. In behavioristischen Begriffen nennt man das die negative Verstärkung, das heißt, dass eine unangenehme Folge entfernt wird. Doch ich erlebte sehr schnell, dass nicht zu konsumieren mich krank machte. Und durch die Linderung dieser Symptome wurde wiederum mein Drogenkonsum verstärkt.

    Die Spirale der inneren Gefangenschaft
    Während mein Kampf auf kurze Sicht funktionierte, verengten sich meine Lebensperspektiven auf lange Sicht ganz unmerklich immer mehr. Auch wenn ich mich nicht als absoluter Sklave meines Drogenkonsums fühlte, steckte ich doch tatsächlich in einem Leben fest, in dem ich keine Möglichkeit sah, einen Weg einzuschlagen, der mich wirklich inspirierte. Ich war oft traurig und deprimiert. Ebenso wenig gelang es mir, mich auf meine Liebesbeziehungen wirklich einzulassen.
    Ich wollte etwas lernen, ich träumte davon zu schreiben. Ich träumte davon, nützlich zu sein, einen Beitrag zu leisten. Ich versuchte es mit politischem Engagement. Aber die Zwänge meines Konsumenten-»Jobs« waren schwer mit einem konsequenten und beständigen Engagement zu vereinbaren. Ein Teufelskreis setzte ein: Meine Sucht hinderte mich daran,

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