Die Geheimnisse der Therapeuten
bestärkt. Deshalb fühlte ich mich in meinem Leben blockiert.
Den Unterschied zwischen sich, seinen Gedanken und seinen Gefühlen erkennen
Im Laufe dieser Jahre entdeckte ich die Zen-Meditation. Ich praktizierte sie unregelmäÃig â doch häufig genug, um ihre tiefe Wirkung zu erleben. Während ich saà und meine Gedanken beobachtete, konnte ich die fast unglaubliche Erfahrung machen, dass ich nicht meine Gedanken war. Das war eine Offenbarung, denn ich hatte bis dahin blind geglaubt, was mir meine Gedanken gesagt hatten: dass das, was ich dachte, von sehr groÃer Wichtigkeit sei, und dass ich war, was ich dachte. Mithilfe der Meditation konnte ich lernen, zu beobachten, wie Gedanken und Emotionen durch mich hindurchzogen wie Wolken, die über einen Herbsthimmel ziehen, ohne irgendein Bedürfnis zu verspüren, zu intervenieren. Das erlaubte mir, mich etwas weniger an den Inhalt meiner Gedanken zu binden.
Dadurch dass ich mich von meinen Gedanken ein wenig löste, konnte ich mehr Raum lassen für das, was meine Erfahrung mir offenkundig zeigte: Das Hin und Her zwischen Drogenkonsum und Abstinenz funktionierte nicht. Es hielt mich in einem Loch gefangen, und je mehr ich strampelte, desto tiefer versank ich darin. Und mit mir versank mein Leben â ein Leben, das weitgehend dem Versuch diente, vor meinen unangenehmen Gefühlen wegzulaufen.
Eines Tages im Dezember 2002 beschloss ich, mich dem zu stellen, was mir das Leben präsentieren würde, ohne je wieder zu Drogen Zuflucht zu nehmen. Ich könnte nicht wirklich sagen, was mich dazu motivierte, wenn nicht die Aussicht, ein anderes Leben zu führen als dieses Leben des Kampfes: ein Leben des Standhaltens statt des Flüchtens. Die Entscheidung, mich zu stellen, war ein Jasagen und ein Verzicht in einem. Ich verzichtete auf den inneren Kampf, ich verzichtete auf kurzfristige Lösungen, und besonders verzichtete ich darauf, verstehen zu wollen. Ich sagte ja zu einer Lebensweise, die in vollem Kontakt mit dem Leben war. Eine ruhige Sicherheit kam in mir auf. Und es entstand die ungewöhnliche und tiefe Ãberzeugung, dass mein Lebensweg beinhaltete, Frieden mit meinem inneren Leid zu schlieÃen, und dass der Verzicht auf den inneren Kampf der Preis für meine Freiheit sein würde.
Der Verzicht auf den inneren Kampf würde der Preis für meine Freiheit sein.
Mich in Drogen zu flüchten war eine Krücke gewesen in all den Situationen im Leben, mit denen ich nicht umzugehen wusste noch wagte. Aber indem ich mir diese Hintertür offen gelassen hatte, hinderte ich mich daran, zu lernen, Fortschritte auf dem Weg zu dem hin zu machen, was für mich im Leben am meisten zählte. Und was für mich am meisten im Leben zählte, war auch das, was mir die gröÃten Schwierigkeiten und das gröÃte Leid bereitete und immer noch bereitet: zwischenmenschliche Beziehungen und der Wunsch, mich nützlich zu machen, sprich zu lieben.
Ein langer Lernweg
Ich glaubte lange, dass Mut hieÃ, meine Müdigkeit, Traurigkeit und Niedergeschlagenheit zu bekämpfen. Doch was, wenn der wahre Mut darin bestand, den Kampf aufzugeben und mich dem zuzuwenden, was ich bereit war zu tun, um die von mir gehegten Werte der Liebe und des Dienens zu verkörpern?
Man kann soziale Kompetenz ebenso wie Beziehungskompetenz in jedem Alter erwerben.
Ich lieà mich darauf ein zu lernen, wie ich meine Beziehungen zu anderen entwickeln, pflegen und vertiefen konnte â ebenso wie meine Beziehung zu mir selbst. Wie die meisten wichtigen Lernprozesse im Leben geht das nur durch die Praxis. Wie jede Form des inneren Kampfes blockiert die innere Flucht, die die Drogen erlauben, oft auch diesen Lernprozess. Die Drogen isolierten mich von der Welt, den anderen und meinen tiefen Gefühlen. Als ich auf sie verzichtete, entschied ich mich, mich meiner Angst vor anderen zu stellen und an ihr zu arbeiten, statt zu versuchen, sie zu eliminieren. Mit dieser Entscheidung gab ich mein Einverständnis, mich auf die Schwierigkeiten des kommenden Lernprozesses und die Zeit einzulassen, die es kosten würde, bevor sich greifbare Fortschritte einstellten. Ganz offensichtlich hatte die frühe Berührung mit Drogen meine emotionale und soziale Entwicklung gehemmt und mich in meinen Beziehungen ernsthaft behindert. Aber heute weià ich, dass man soziale Kompetenz ebenso wie Beziehungskompetenz in jedem Alter erwerben kann.
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