Die Geheimnisse Der Tinkerfarm
schließlich zog das knappe Dutzend der Küchenwesen zur gegenüberliegenden Tür hinaus, um das Essen zu servieren, munter plappernd und schnatternd, obwohl sie schwer an den Schüsseln und Tellern zu tragen hatten. Einige der Gerichte, die sie schleppten, bewegten sich noch und brachten das Geschirr zum Klappern, weil sie zu fliehen versuchten. Ein Hauptgericht, ein mäuseähnliches Tier mit einem Schwanz von der zehnfachen Körperlänge, sorgte für viel Aufregung, als es vom Servierteller sprang und einer der Arbeitskäferinnen den Ärmel hinauflief. Als das Kreischen vorbei, das Essen wieder eingefangen und das Serviergeschirr aufgehoben war, marschierten die verbliebenen Köchinnen hinaus und ließen die Ehcük still und leer zurück.
»Endlich!«, sagte Steve. »Mir fallen fast die Beine ab vom Krummsitzen. Können wir jetzt reingehen?«
Tyler schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Bleib einfach hier.« »Warum?«
|332| »Wirst du schon sehen.« Er legte den Finger an die Lippen. »Denk daran, alle müssen essen.«
Da trat hinter ihnen etwas in den Korridor und ließ ein Seufzen wie ein Windstoß hören. Zu Tylers unendlicher Erleichterung wandte es sich bald wieder ab und entfernte sich in der Gegenrichtung mit einem Scharren und Kratzen, das sich anhörte, als würde ein Kamingitter über den Holzboden geschleift. Steve duckte sich schlotternd, blieb aber still. Tyler war richtig stolz auf ihn – er wäre selbst beinahe fortgelaufen.
»Stimmt schon, Jenkins, alle müssen essen«, sagte Steve mit zittriger Stimme, als das Geräusch endlich verklungen war. »Aber ich wette, ein paar von diesen Biestern hätten nichts dagegen,
uns
zu essen.«
|333|
37
GARTENARBEIT
L ucinda fühlte sich wie eine Stoffpuppe, die ihre Füllung verloren hatte. Kingaree hatte sie zu Tode erschreckt, das Ungeheuer, von dem Kingaree gepackt worden war, hatte sie ebenfalls zu Tode erschreckt, und jetzt war sie so schwach wie neulich, als sie das Treibhausfieber gehabt hatte.
Ein wenig hatte sie sogar den Eindruck, dass das Fieber zurückgekehrt war: Ihr Kopf war wie geschwollen, zu groß und zu schwer, und in manchen Momenten klangen das Donnergrollen und das Heulen des Windes wie Stimmen, die sie riefen.
Sie konzentrierte sich nur noch darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, während sie zum Haus zurückging. Sie wusste nicht einmal, warum sie dort hinging. Auch wenn sie |334| gerade nichts hörte, konnte es durchaus sein, dass Stillman und seine Männer noch drinnen herumliefen und um sich schossen. Lucinda wusste, dass sie einen Plan haben sollte, wenigstens ein Ziel, aber zu mehr, als Schritt für Schritt weiterzugehen, war sie nicht imstande.
Als sie den breiten Bogen der Auffahrt erreichte, sah sie die Gestalt eines Mannes zur Tür herauskommen. Nach kurzem Zögern und Schwanken tappte er unbeholfen über die Veranda und die Stufen hinunter, dann ging er am Haus entlang auf sie zu, vorbei am Fenster des Schlangenzimmers. Es war Gideon, der da barfuß in Schlafanzug und Bademantel durch die warme Regennacht taumelte.
»Onkel Gideon!«, schrie sie.
Er blickte nicht einmal auf. Am Ende des Hauses angekommen bog er ab und stapfte langsam in Richtung des Gartens und der Nebengebäude wie der letzte Mann in einer Sträflingskolonne.
Lucinda rannte über die Kiesfläche, aber er war schon in der Dunkelheit verschwunden. Sie eilte hinter ihm her, so schnell sie konnte, aber das Fußgelenk, das sie sich beim Sprung vom Zaun verknackst hatte, fühlte sich langsam ernsthaft verletzt an, so dass sie nur humpelnd traben konnte.
Kurz darauf hatte sie ihn wieder erspäht. Er stolperte auf die dunklen Reihen der Pflanzen zu, die im Wind wehten.
Der Garten. Er will zum Küchengarten.
Plötzlich erfasste sie ein eiskalter Gedanke:
Nein … er will zum Treibhaus!
Lucinda holte den alten Mann ein, als er gerade am Rand des Gartens war. Sie griff nach seinem Arm, aber er schüttelte sie hartnäckig ab und stöhnte immer wieder etwas, das sich anhörte wie: »Lammi, oh! Lammi, oh!« Erst als sie ihn endlich gepackt hatte, verstand sie, dass er »Lass mich los!« sagte, aber sein Mund die Worte nicht richtig bilden konnte.
|335| Gideon war stärker, als sie es ihm zugetraut hätte, es war richtig schwer, seinen Arm festzuhalten, so heftig wehrte er sich. »Hilfe!«, schrie sie. »So hilf mir doch jemand! Helft Onkel Gideon!« Doch wie vorher, als sie von Kingaree verfolgt worden war, kam keine Antwort. Das Haus war immer noch
Weitere Kostenlose Bücher