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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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Grashüpfer auf dem Arm? Sie hält ihn wie ein Baby!«
    »Guck gar nicht hin. Geh einfach weiter.« Tyler horchte mit äußerster Anspannung. Er hoffte sehr, dass die gespenstische Erscheinung aus der Bibliothek nicht auch in diesem Teil des Hauses ihr Unwesen trieb – das Banderschnapp, so hatte Grace es genannt, ein Name aus
Alice im Wunderland
–, aber |329| wer konnte wissen, was sich sonst noch für Greuel in diesem hässlichen Spiegelbild der Tinkerfarm herumtrieben? Er wollte ganz gewiss keinem Spiegeldrachen und keinem Spiegelmantikor begegnen.
    Durch die Fenster im Gang konnte Tyler in den Garten hinausschauen. Auch der sah nicht so aus, als ob er sich dort jemals aufhalten wollte. In der realen Welt war es eine Gewitternacht, hier aber hing über allem die triste, deprimierende Stille eines Winternachmittags, an dem der dunkelgraue Himmel noch ganz schwach von silbernem Licht behaucht war. Ganz vorn im Garten lag eine von steinernen Mauern umschlossene Rasenfläche, leer bis auf einen großen schwarzen Vogel mit langem dünnem Schnabel und langen dünnen Beinen, der langsam von einer Stelle zur anderen hopste und in dem verfilzten Gras neben einer kaputten Sonnenuhr nach etwas stöberte. Jenseits der Mauern war der übrige weitläufige Garten dermaßen verwildert, dass er eher wie ein gespenstischer Wald aussah.
    Wer sich hier anschleichen will, hat leichtes Spiel,
dachte Tyler.
    »Und wo wollen wir jetzt hin?« Steve bemühte sich, ruhig zu klingen, doch es glückte ihm nicht ganz. »Hast du überhaupt eine Ahnung?«
    »Ich denke gerade nach. Beim letzten Mal hielt sich Grace in der Bibliothek auf, genau wie du – aber auch wie das Banderschnapp, dieses Schreckgespenst, das uns erwischen wollte.«
    Steve guckte beklommen. »O Gott. Daran kann ich mich gut erinnern.«
    »Aber Grace ist ein realer Mensch. Sie muss essen, und so was wie Essen habe ich in der Bibliothek nicht gesehen, deshalb denke ich, wir sollten lieber nach der Küche schauen.«
    »Klasse, Jenkins. Wir bräuchten bloß einen Lageplan.«
    |330| »Na ja, hier hängen Schilder, und da hier alles verkehrt herum ist, musst du nur nach einem suchen, auf dem ›Ehcük‹ steht.«
    Steve sah ihn fragend an. »Eh-kück? Eh, kück mal oder was?«
    »Das ist ›Küche‹ rückwärts, du Hohlblock. Hast du die ›Kehtoilbib‹ und den ›Rellek‹ schon vergessen?«
    »Ach so. Klar.«
    Sie fanden die Treppe. Der Teppich dort war so alt, dass man in der Mitte jeder Stufe das Holz durchscheinen sah. Tyler gebot mit erhobener Hand Schweigen und ging voraus, bis sie zwei Stockwerke tiefer waren und er das Gefühl hatte, dass die Küche in der Nähe sein musste. Sie folgten dem Flur bis zu einer großen Flügeltür, und Tyler schob sie vorsichtig auf und lugte hinein.
    Es war die Küche, doch er brauchte einen Moment, bevor er sich sicher war, denn die Decke war um vieles höher als in Wirklichkeit. Der Raum wirkte fast wie ein Silo oder ein Turm, und an den hochragenden Wänden hingen Regale, die man weiter oben nur mit kippligen Leitern erreichte.
    Tyler sah eine Bewegung und ließ die Tür ein bisschen weiter zugehen, so dass er und Steve nur noch durch einen ganz schmalen Spalt spähten. Mehrere kleine Gestalten trippelten durch den Raum, sonderbare Geschöpfe mit großen Augen, kleinem Gesicht und Armen wie langen Zweigen, so dass man meinen konnte, das Personal der Spiegelküche bestände statt aus Pema, Azinza und Sarah aus großen bleichen Käfern in altmodischen Kleidern und Hauben.
    »O Mann, was sind das denn für welche?«, flüsterte Steve. Er hörte sich an, als wollte er gleich die Flucht ergreifen.
    »Pssst!«, machte Tyler. »Ist doch egal. Wir warten einfach.« Es schien bald Essenszeit zu sein. Die kleinen Arbeiterinnen |331| sausten geschäftig hierhin und dorthin, flitzten die Leitern auf und ab, um Zutaten zu holen, bestückten einen riesigen Kochtopf, der größer zu sein schien als der mit Holz beheizte uralte Herd, auf dem er stand, und hielten nur inne, um mit Stimmen zu debattieren, die sich wie das Rascheln und Knistern geknüllten Papiers anhörten. Trotz ihrer Kleidung wirkten die Küchenwesen so fremdartig wie über den Meeresgrund krabbelnde Krebse. Nach einer Weile beschloss Tyler, dass er sie nicht länger beobachten wollte als unbedingt nötig, und ließ die Tür lautlos zugehen.
    »Wir warten einfach«, sagte er noch einmal zu Steve. »Such dir einen bequemen Platz.«

    Das Kochen dauerte fast eine Stunde, doch

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